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London

London

Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Eisen dem Mars, Quecksilber dem Merkur, Silber dem Mond, und Gold, das reinste aller Elemente, der strahlenden Sonne. Das größte Wunder bestand darin, daß im Lauf der Zeit die Wärme der Erde allmählich jedes einzelne dieser Metalle verfeinern würde, nach und nach in immer reinere Form bringen würde: Eisen würde zu Quecksilber werden, Quecksilber zu Silber, bis schließlich am Ende alles nur noch das reine Gold war, der letzte, perfekte Zustand.
    So mancher Gelehrte suchte einen Weg, um diesen Prozeß zu beschleunigen. Die Alchemisten forschten nach einer Substanz, die Metalle dazu bringen würde, sich aus ihrer unedlen Form in ihre reinste zu verwandeln. Diese magische Substanz barg das Geheimnis des Universums. Sie wurde als Elixier oder als Stein der Weisen bezeichnet.
    Silversleeves hatte diese Substanz gefunden.
    Seit fünf Jahren schon praktizierte Benedict Silversleeves die magische Kunst der Alchemie, und Fleming war nur einer aus der Reihe der ehrfürchtigen Adepten, von denen jeder einzelne glaubte, daß er sein Geheimnis nur mit ihm teile. Silversleeves verstand sein Geschäft. Nicht nur, daß er selbst Gelehrte mit seinem Wissen beeindruckte – er konnte tatsächlich unedle Metalle in Edelmetalle verwandeln. Zumindest glaubten es seine Anhänger, denn sie hatten ihm persönlich dabei zugesehen.
    Die Bewerkstelligung des Wunders war gar nicht so schwer. Silversleeves kannte eine Reihe von Tricks, aber am liebsten war ihm die einfachste Variante, und diese vollzog er nun vor Flemings Augen.
    Er goß ein paar Tropfen des Elixiers in den Schmelztiegel, den er auf einen Brenner stellte und mit einem langen, dünnen Stock darin umrührte. Als besonderes Zugeständnis durfte sogar Fleming ein Weilchen rühren. Was Fleming jedoch nicht wußte: Im Inneren des Stocks befanden sich ein paar Körnchen reinsten Silbers, die Silversleeves dort hineingesteckt und mit einer kleinen Wachsfüllung an der Spitze des Stocks versiegelt hatte. Während in dem Tiegel gerührt wurde, schmolz das Wachs, das Silber lief aus. Dieser Trick funktionierte mit jedem Metall. Und so sah sein Klient nach und nach Eisen im geschmolzenen Blei auftauchen, oder Silber, das offensichtlich aus Eisen, Zinn oder Quecksilber stammte. Nur eines hatte er noch nie gesehen – die Herstellung von Gold.
    Eben darin zeigte sich die Gewitztheit des Magiers. Wenn er aus unedlen Metallen Edelmetalle machen konnte, dann würde es ihm sicherlich eines Tages gelingen, als letzten Schritt Gold herzustellen. Der Glaube seiner Anhänger war unerschütterlich, ihre Gier noch stärker. Sie kamen wieder und immer wieder zu ihm und gaben ihm ihr Geld.
    »Es ist ja nicht das Eisen oder das Quecksilber«, erklärte Silversleeves oft, »sondern das Pulver für das Elixier. Das kostet ein Vermögen. Und dafür brauche ich Eure Hilfe.«
    Das Elixier bestand vorwiegend aus Kreide und getrocknetem Mist, und so verdiente sich Benedict Silversleeves eine Menge Geld.
    Warum tat er dies? Als er Bull erklärt hatte, nur über ein bescheidenes Vermögen zu verfügen, hatte er schlichtweg gelogen. Die Rücklagen der Familie waren dermaßen geschrumpft, daß er nach dem Tod seiner Mutter praktisch ohne einen Penny dastand.
    Ein reicher Kaufmann mochte einen ehrgeizigen jungen Mann aus einer alten Londoner Familie akzeptieren, solange er annahm, daß er neben seinen guten Berufsaussichten auch über ein gewisses finanzielles Polster verfügte. Aber wenn ein solcher junger Mann keinen Penny sein eigen nennen konnte, dann wurde aus ihm rasch ein Abenteurer, ein Objekt, dem man mit Argwohn und Verachtung begegnete. Also hatte Silversleeves ein bescheidenes Vermögen erfunden. Sein prächtiges Pferd und seine teuren Kleider bezahlte er, indem er arme Narren wie Fleming schröpfte. Und es blieb ihm nichts anderes übrig, als damit weiterzumachen, solange er einer reichen Braut den Hof machte, auch wenn dies eine sehr lange Zeit in Anspruch nahm.
    Schon bei ihrem ersten Gespräch im »George« war ihm Fleming auf den Leim gegangen. Monat für Monat hatte er das Pulver gekauft und zugesehen, wie Metalle sich in Silber verwandelten. Er gab dafür heimlich seine sämtlichen Ersparnisse aus, bis er nicht einmal die Kopfsteuer bezahlen konnte. Doch er hielt an seinen Träumen fest. Wenn denn endlich das Gold da wäre, würde er sämtliche Kneipen in Southwark kaufen können, die er nur wollte, und Dame Barnikel endlich alle die Pelze und kostbaren Gewänder schenken können, nach

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