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London

London

Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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denen es sie gelüstete. Wie würde sie ihn preisen, ihn lieben, ihn achten! Und Amy sollte einen richtigen Herrn heiraten. Na ja, seinetwegen auch Carpenter, wenn sie sich nicht davon abbringen ließ.
    Die meisten Scharlatane, die mit solchen kriminellen Aktivitäten ihr Geld verdienten, hätten ihr Versagen wohl auf schadhafte Geräte oder auf mangelhafte Grundsubstanzen zurückgeführt, doch Silversleeves hatte eine elegantere Lösung.
    »Das Elixier ist vollkommen«, pflegte er zu sagen. »Das Silber, das wir hergestellt und geprüft haben, war rein. Aber dieser letzte Schritt, echtes Gold herzustellen, ist sehr schwer. Das Elixier muß sich im Einklang mit den Planeten und den Sternen befinden. Wenn alles in der richtigen Konjunktion zueinander steht, dann werden wir Erfolg haben, das verspreche ich!«
    Die große Erschütterung im Jahr 1381 traf Geoffrey Ducket völlig unerwartet; tatsächlich hatten nur wenige Leute in England damit gerechnet. Der Frühling war noch sehr ruhig verlaufen. Natürlich hatte man immer wieder gehört, daß es auf dem Land zu Unzufriedenheiten wegen der neuen Kopfsteuer kam. Die Bauern waren erzürnt, überall bemühte man sich, der Steuer zu entkommen. Im März waren die Eingänge unzureichend. Diesmal war der Regentschaftsrat des Kindkönigs entschlossen zu handeln. Ducket hatte an diesem Morgen die Neuigkeiten erfahren. »Die Steuereintreiber werden ein weiteres Mal nach Kent und Ostanglien geschickt.« Das reiche Kent hatte viel mit dem robusten Londoner Geist gemein, schon allein aufgrund seiner Nähe zu der Stadt. Aber Ostanglien hatte ein besonderes Problem mit der Kopfsteuer, abgesehen davon, daß es lange stolz auf seine Unabhängigkeit gewesen war. In den vom Feudalismus stärker geprägten Landstrichen hatten die meisten Dörfer einen Grundherrn, der – sei es nun aus Menschenliebe oder aus Eigeninteresse – den ärmeren Bauern mit der Kopfsteuer half. In Ostanglien mit seinen kleineren Anwesen gab es weniger Grundherren, und die Bauern ächzten schwer unter der neuen Steuerlast.
    Im April und im Mai kamen häufig Berichte über das Tun der Steuereintreiber. Sie waren in Norwich eingefallen und hatten allein innerhalb der Mauern dieser Stadt sechshundert wütende Steuerflüchtlinge aufgestöbert. In den ländlichen Gegenden von Ostanglien waren mehr als zwanzigtausend, also mehr als jeder zehnte Erwachsene, aufgegriffen und gezwungen worden zu zahlen.
    Anfang Juni wurden die Berichte bedrohlicher. »Sie haben drei Steuereintreiber in Essex ermordet.« Am nächsten Tag: »Fünftausend Bauern haben sich in Bewegung gesetzt!« Und noch vor Sonnenuntergang war es überall an den Marktständen zu hören: »Kent erhebt sich!« Am Morgen des siebten Juni hörte Ducket das Gerücht, daß Rebellen die Burg in Rochester angegriffen hätten. Als er später an diesem Tag Bull danach fragte, meinte dieser grimmig: »Ich fürchte, es ist wahr. Ich habe eben erfahren, daß die Hälfte der Bauern um Bocton herum sich dorthin begeben haben. Sie haben auch einen Anführer gewählt, einen Burschen namens Wat Tyler.«
    Dies waren die Anfänge des großen Bauernaufstands. Während sich die Männer von Essex zusammenrotteten und der Rest aus Ostanglien sich zur Revolte anschickte, führte Wat Tyler seine Leute hurtig auf der alten Straße nach Canterbury. Der Erzbischof, dem sie die Schuld an allem gaben, hielt sich nicht dort auf, also verwüsteten sie seinen Palast und brachen das Gefängnis auf. Sie befreiten einen Prediger namens John Ball, der sich mit seinen aufwieglerischen Predigten seit längerem bei der Kirche unbeliebt gemacht hatte. Er war kein Gelehrter wie Wyclif, sondern setzte sich für radikale Reformen im ganzen Königreich ein und wurde von vielen Anhängern Tylers als Volksheld verehrt. Mit Tyler als General und Ball als Prophet wuchs sich das Unterfangen zu einem Bauernkreuzzug aus.
    Nun begann London zu zittern, denn vom Norden der Themsemündung kamen die Männer aus Essex, vom Süden Tylers Leute. Jede Gruppe umfaßte Zehntausende von Männern. Der junge König und sein Rat suchten gemeinsam mit dem verängstigten Erzbischof in der Sicherheit des Towers Zuflucht, aber sie hatten keine Truppen, die eine so hohe Zahl von Rebellen zurücktreiben konnten.
    Ducket und Fleming räumten an einem Mittwochnachmittag ihren Stand auf, als die Kunde laut wurde: »Sie sind da. Die Männer aus Essex werden am Mile End lagern.« Mile End befand sich nur zwei Meilen vom Aldgate

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