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London

London

Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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ging die Küchentür auf. Bull sagte: »Offenbar hat der König dich begnadigt.«
    James Bull sah alles mit eigenen Augen. Nachdem er Ducket erwischt hatte, fand James niemanden, der mit ihm zum Savoy gehen wollte, aber schließlich beschaffte Alderman Philpot ihm ein Pferd und Waffen. »Macht Euch nützlich!« sagte er. Und so beobachtete er an diesem schicksalhaften Samstag den Höhepunkt des Bauernaufstandes.
    Richard II. war an diesem Morgen, nachdem er in Westminster die Messe besucht hatte, zusammen mit einer kleinen Gesandtschaft von Adligen, dem Mayor von London, Philpot und ein paar anderen Aldermen zum Smithfield hinausgeritten, um mit Wat Tyler zu verhandeln. Bislang hatten die Aufständischen nie die Absicht geäußert, dem jungen König Schaden zufügen zu wollen. Aber sie konnten London zerstören. Berichte von Aufständen in ganz Ostanglien kamen in die Stadt. Wenn König Richard Tylers Truppe dazu bewegen konnte, sich aufzulösen, konnte vielleicht ein riesiges Blutvergießen vermieden werden.
    An der Westseite des großen Feldes stießen sie auf Tyler und seine Leute. Das Grüppchen hinter dem König hielt vor den großen Gebäuden von St. Bartholomew's. Die Horde war ein furchterregender Anblick, aber der Sohn des Schwarzen Prinzen ritt allein auf sie zu, und Tyler kam ihm entgegen.
    James schaffte es, sich so weit vorzudrängein, bis er genau hinter dem Mayor stand. Bislang hatte er Tyler noch nicht persönlich gesehen, aber jetzt war er ihm ganz nah und konnte ihn deutlich erkennen. Er fragte sich, ob dieser Mann mit dem dunklem Gesicht wohl ein Trinker sei.
    Tyler begrüßte den König der Form entsprechend, doch ziemlich kurz, dann stellte er seine Forderungen. Die Lehnsherrschaft sollte abgeschafft werden. Es sollte keine Bischöfe mehr geben bis auf einen – John Ball. Die riesigen Ländereien der Kirche sollten eingezogen und den Kleinbauern übereignet werden. Alle Menschen sollten vor ihrem König gleich sein. Richard ritt zu seinem Gefolge zurück. James belauschte die gedämpften Gespräche mit dem Bürgermeister und den übrigen. Er hörte den König sagen: »Ich werde ihm mitteilen, daß wir seine Forderungen überdenken werden.« Dann kehrte er zu Tyler zurück.
    James Bull konnte den Blick kaum von dem Gesicht des Mannes abwenden. Wo hatte er ihn nur schon einmal gesehen? Als Tyler Richards Antwort gehört hatte, grinste er. Er rief nach einem Krug Bier; einer seiner Leute reichte ihm einen, er setzte den Krug an die Lippen, trank das Bier in großen Zügen und schmatzte dabei triumphierend. Da erinnerte sich James schließlich wieder. Ein Abend vor langer Zeit im »George«. Ein dunkelhäutiger Mann wie dieser, der beim Trinken laut geschmatzt hatte. War es derselbe? Ja, er war sich dessen nahezu sicher. »Ich kenne diesen Burschen«, brach es aus ihm heraus. »Er ist ein gemeiner Wegelagerer aus Kent!«
    Tyler erstarrte, lief hochrot an; und plötzlich verlor er den Kopf. Mit einem Wutschrei spornte er sein Pferd an, zog einen Dolch heraus und stürmte geradewegs auf James zu. »Das bezahlst du mit deinem Leben!« kreischte er. James erbleichte, vor ihm wurde es unruhig, Schwerter wurden gezückt, es ertönte ein Schrei, Tyler stürzte zu Boden und blieb blutüberströmt liegen.
    Es kehrte eine schreckliche Stille ein. Die Rebellen rangen nach Luft. James hörte, wie Philpot murmelte: »Jetzt werden sie uns alle töten.«
    Aber er hatte seine Rechnung ohne den jungen König gemacht. Der vierzehnjährige Richard vollbrachte eine außergewöhnlich besonnene und mutige Tat. Er hob den Arm, führte sein Pferd mitten in die riesige Rebellenhorde hinein und rief: »Sirs, ich werde Euch anführen. Folgt mir!« Er schlug den Weg zu einigen im Norden liegenden Feldern ein. Die Menge zögerte kurz, dann folgte sie ihm.
    Die nächste Stunde war sehr aufregend. Der Mayor, Philpot und die anderen treuen Vasallen eilten in der Stadt umher. Schließlich faßten sich die Londoner und ihre Kampftruppen ein Herz und kamen aus sämtlichen Bezirken herbei, um sich aufstellen zu lassen. Während der König die Rebellen mit Verhandlungen beschäftigt hielt, wurden sie von Londoner Truppen umzingelt.
    Und dann war plötzlich alles vorbei. Die Rebellen gaben nach. Der König war in Sicherheit. Der Mayor und Philpot wurden auf der Stelle zu Rittern geschlagen. Tylers Kopf löste den Kopf des Erzbischofs auf der Brücke ab. Doch in seiner Klugheit hatte König Richard befohlen, Tylers Anhänger,

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