London
Ducket seinen Freund, der wieder bei Bewußtsein war, bei den guten Brüdern im St. Bartholomew's Hospital und machte sich auf den Weg zum »George«, um Amy zu berichten, was passiert war.
James Bull war jemand, der nicht leicht aufgab. Zwar hatte sein reicher Vetter in den letzten fünf Jahren nie nach ihm rufen lassen, und die Blumen und das Gedicht, die er Tiffany vor einem Jahr hatte zukommen lassen, hatten auch keine Reaktion gezeitigt; doch noch immer sann er darüber nach, wie er die Aufmerksamkeit und Anerkennung seines Vetters gewinnen könnte.
Als James Bull Tylers Männer in London eindringen sah, wußte er zwar, daß viele Londoner die Kopfsteuer haßten, mit den Männern aus Kent sympathisierten und sich sogar zum Teil den Aufständischen angeschlossen hatten, doch er selbst dachte nicht daran. Diese Leute waren Unruhestifter, die es zu unterdrücken galt. Er folgte ihnen in gebührendem Abstand bis zum Savoy. Dort zerrte er drei Möchtegernplünderer aus dem Palast und hielt erst inne, als die Masse ihm klarmachte, daß sie ihn lynchen würde, wenn er es abermals versuchte. Dann machte er sich auf, um nach Unterstützung zu suchen. Als er keinen Stadtgendarm fand, eilte er Richtung Ludgate in der Hoffnung, dort auf ein paar bewaffnete Männer zu stoßen. Schließlich wollte er seinen Vetter beeindrucken, und dazu mußte er etwas Bemerkenswertes tun, und dies am besten vor Zeugen. In der Chancery Lane sah er Silversleeves hoch zu Roß. »Bringt mich zum Tower! Wir müssen Hilfe holen!« rief er, doch der Jurist beachtete ihn nicht und ritt hastig davon, eine Gasse hinab, auf der er den Savoy-Palast weiträumig umgehen konnte.
Als James zur Brücke kam, sah er einen Mann, der alleine unterwegs war. Die Brandwunden an seinen Händen wiesen ihn eindeutig als Rebellen aus. James warf sich auf den Mann, hielt ihn fest und schrie: »Hab' ich Euch!« Da fügte es die göttliche Vorsehung, daß plötzlich die untersetzte Gestalt seines reichen Vetters auftauchte, dem er sofort zurief: »Sir, helft mir! Dieser Bursche hat den Savoy-Palast geplündert!«
Der Kaufmann wandte sich an den Rebellen, als würde er ihn kennen. »Das wirst du büßen, Ducket!«
In der Küche des Hauses auf der London Bridge wollte die Zeit kaum vergehen. Bull hatte Duckets Proteste ignoriert und ihn dort eingesperrt. »Du bleibst jetzt hier, bis ich dich den Behörden übergeben kann.« Nur die Küchengehilfin, ein dickes, mundfaules Mädchen, war mit ihm in der Küche geblieben; Bull hatte sie beauftragt, Alarm zu schlagen, falls Ducket Fluchtversuche anstellte.
Ducket bemühte sich, dem dicken Mädchen zu erklären, daß Amy ihn hinter Carpenter hergeschickt habe und daß er Carpenter vor den Flammen gerettet habe, also keineswegs am Plündern interessiert gewesen sei. »Du siehst also, daß ich mir nichts vorzuwerfen habe«, meinte er abschließend. Doch das dicke Mädchen sagte nichts.
So ging das den ganzen nächsten Tag. Am Morgen kam die Köchin kurz herein und berichtete ihm, daß der König nach Mile End gehen wollte. Ein paar Stunden später hörte Ducket, wie sich eine große Menge dem Haus näherte. Den lauten Geräuschen nach zu schließen passierte offenbar etwas ganz in der Nähe. Dann schien die Menge wieder abzuziehen. Eine Stunde später tauchte die Köchin wieder auf. »Sie sind in den Tower eingedrungen und haben den Erzbischof ermordet«, sagte sie. »Seinen Kopf haben sie mitten auf der Brücke aufgespießt.«
Am Abend tauchte Bull persönlich auf. Er blickte angewidert auf Ducket. »Deine Freunde waren erfolgreich«, sagte er trocken. »Der König hat ihren Forderungen nachgegeben, die Leibeigenschaft abzuschaffen. Als Gegenleistung haben sie den Erzbischof ermordet, nun ziehen sie durch die Straßen, zünden Häuser an und töten jeden, dessen Gesicht ihnen nicht gefällt. Etwa zweihundert unschuldige Menschen mußten bislang ihr Leben lassen. Ich dachte, diese Neuigkeiten würden dir gefallen.« Dann schmetterte er die Tür wieder zu und verriegelte sie sorgfältig.
Der nächste Tag war ein Samstag. Am Vormittag hörte Ducket, wie Leute auf der Straße herumrannten. Es wurden wieder Schreie laut, aber es wirkte anders als am Vortag. Er hörte, wie an Bulls Haustür aufgeregte Gespräche stattfanden. Zwei Stunden verstrichen, in denen immer wieder Rufe laut wurden, und schließlich erklang Jubel. Die Leute auf der Straße lachten. Ein Pferd trabte heran, jemand betrat das Haus. Eine halbe Stunde später
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