London
gleichgültig, was sie getan hatten, bedingungslos zu begnadigen.
James Bull konnte noch einmal richtig auftrumpfen. Er ritt hinüber zum Haus seines Vetters, um ihm die Neuigkeiten zu überbringen, und zum erstenmal wurde er freudig ins Wohnzimmer gebeten, wo der Kaufmann, seine Frau und Tiffany ihn empfingen. »Jetzt erzähl uns alles, mein Junge«, sagte sein Verwandter lächelnd, »erzähl uns ganz genau, was passiert ist!«
Der große Bauernaufstand war vorbei. Eine Weile kam es noch zu kleineren Ausbrüchen in Ostanglien und auch an anderen Orten, aber mit der Londoner Niederlage und dem Tod des Anführers war dem Aufstand der Wind aus den Segeln genommen. Die Versprechen, die der König den Bauern gegeben hatte, gerieten rasch in Vergessenheit. Er selbst teilte einer Gesandtschaft von Kleinbauern mit: »Knechte seid ihr, und Knechte werdet ihr auch bleiben.« Die Sterne waren wieder in ihre Sphären zurückgekehrt, die soziale Ordnung war wieder so, wie es sich gehörte. Eine wichtige Erfahrung war dennoch gemacht worden, die Bull treffend beschrieb: »Kopfsteuern bringen Ärger ein.«
Zwei Tage nach Tylers Tod – inzwischen herrschte wieder Ruhe – trabte ein Reiter auf seinem schäumenden Pferd zum Haus auf der Brücke. Es war Silversleeves. »Gott sei Dank, Sir, daß es Euch gutgeht!« rief er laut. »Und wie geht es meiner liebsten Tiffany? Ich habe mir schreckliche Sorgen gemacht!« Er habe geschäftlich im Westen zu tun gehabt, erklärte er. »Aber sobald ich die Sache mit Tyler erfuhr, bin ich so schnell wie möglich hergekommen!« Bull war gerührt.
Ducket gegenüber blieb Bull weiterhin sehr abweisend. »Er war bei den Rebellen, das reicht«, sagte er. »Er ist ein Verräter.« Als er ihn aus seinem Gefängnis entließ, sagte er kühl: »Es ist mir egal, was für eine Rolle du dabei gespielt hast. Ich werde mich an die Vereinbarungen halten, die wir getroffen haben, als du bei Fleming deine Lehre angetreten hast, aber du sollst dieses Haus nie wieder betreten.«
Einen Monat später verlobten sich Benedict Silversleeves und Tiffany Bull. Auf Tiffanys Wunsch hin sollte die Hochzeit jedoch erst im nächsten Sommer stattfinden. Als James Bull davon erfuhr, fand er sich endlich damit ab. In seinem Innersten hatte er ohnehin geahnt, daß die letzten fünf Jahre der Hoffnung eine Zeitverschwendung gewesen waren, doch das Pflichtgefühl seiner Familie gegenüber und sein Selbstwertgefühl hatten ihn daran gehindert, sich dies einzugestehen. Nun kam es ihm plötzlich so vor, als habe sein Leben kein rechtes Ziel mehr. Er begann, häufig ins »George« zu gehen. Zwar trank er nicht zu viel und vernachlässigte auch nicht seine Geschäfte, aber er verbrachte doch viele Stunden niedergedrückt und allein in der Schenke.
Dame Barnikel erinnerte sich vage an ihn und machte auch Amy auf ihn aufmerksam. »Ein Mann ist das, was eine Frau aus ihm macht. Dieser junge Mann dort braucht Aufmerksamkeit.« Nach einer Weile beschloß sie, ihn unter ihre Fittiche zu nehmen. Wann immer er hereinkam, empfing ihn die Wirtin mit einem freundlichen Lächeln. »Da ist ja wieder unser hübscher junger Mann«, sagte sie dann mit ihrer tiefen Stimme, so daß sich der große, grobschlächtige Bursche tatsächlich attraktiv vorkam. Und Amy erklärte sie oft genug, daß eine Frau einen Mann eben dazu bringen müsse zu zeigen, was in ihm steckte.
Manchmal fragte sich Amy, wie sie dies bei Carpenter bewerkstelligen sollte. Sie bewunderte ihn noch immer wegen seiner ruhigen Stärke, aber die jüngsten Ereignisse hatten sie ziemlich beunruhigt. Zwar war er letztlich mit ein paar Brandwunden und einer dicken Beule auf der Stirn davongekommen, aber wer weiß, was ihm noch alles passiert wäre, wenn Ducket ihn nicht gerettet hätte? Und seine Ansichten hatten sich auch nicht geändert. »Die Plünderungen gingen auf das Konto des Londoner Gesindels«, erklärte er ihr. »Wir leben noch immer unter einer gottlosen Autorität. Eines Tages muß sich das ändern.« Sie wußte nicht recht, was sie dazu sagen sollte. Aber er war nach wie vor ihr Verlobter, und so mußte sie wohl oder übel froh darüber sein, als er kurz vor Weihnachten verkündete: »Ich glaube, wir sollten im Sommer heiraten.«
Im Januar 1382 heiratete der tapfere junge König Prinzessin Anne, ein eher farbloses, doch freundliches junges Mädchen, das kaum älter war als er und aus dem fernen Böhmen eine gefährliche, anstrengende Reise auf sich genommen hatte. Der junge
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