London
Großteil seiner Ersparnisse gekostet hatte. Er wickelte seinen Schatz in ein Stück Stoff, steckte ihn in eine Tasche und trug ihn heim.
Natürlich war Diskretion vonnöten. Vor wenigen Tagen hatte ein Kirchensynodentreffen bei den Blackfriars stattgefunden, auf dem sämtliche von Wyclif vertretenen Glaubenssätze als Gotteslästerung verdammt worden waren. Selbst der Besitz einer Lollardenbibel war verdächtig. Deshalb versteckte Carpenter sie nun sorgsam in einem Schrank. Dabei kam ihm ein Gedanke. Er hatte Ducket nie angemessen dafür gedankt, daß dieser ihm im letzten Sommer am Savoy das Leben gerettet hatte. Oft hatte er schon überlegt, was er seinem Freund wohl dafür geben könnte. Nun lag die Antwort in dem Schrank vor ihm. Mit einem glücklichen Lächeln holte er das Buch Genesis heraus.
An diesem Nachmittag machte Silversleeves sich auf den Weg, um Ducket zu töten. Er glaubte zwar nicht, daß Fleming reden würde, aber zweifellos würde Ducket es tun, sobald er herausfand, daß der Jurist keineswegs beabsichtigte, Tiffany aufzugeben. Er plante nach wie vor, das Mädchen zu heiraten, und wenn Ducket erst einmal aus dem Weg geräumt war, würde ihn wahrscheinlich auch nichts daran hindern können.
Dennoch war er etwas nervös, als er den Dolch unter seinem Umhang versteckte. Um sicherzugehen, daß noch kein Verdacht gegen ihn gehegt wurde, stattete er dem Haus auf der London Bridge einen Besuch ab, wo er freundlich empfangen wurde. Bull war so liebenswürdig wie immer. »Ich denke, wir sollten einen Tag für die Hochzeit festmachen«, schlug Silversleeves vor. »Mit Sicherheit noch im Juni«, stimmte ihm der Kaufmann zu.
Als Silversleeves am Cheap ankam, waren Ducket und Fleming gerade dabei, ihren Stand abzubauen. Er blieb in einiger Entfernung stehen und überlegte sich seinen nächsten Schritt. Wie tötete man einen Menschen? Natürlich durfte er nicht dabei gesehen werden; er würde einen abgelegenen Ort dafür finden müssen, am besten in der Dunkelheit. Zögernd begann er, sein Opfer zu verfolgen.
Die beiden Männer machten sich auf ihren üblichen Heimweg; sie kamen am Poultry vorbei und zogen ihren Karren zur Lombard Street. Dort grüßte sie eine einfach gekleidete Gestalt, offenbar ein Handwerker, und begann mit Ducket ein Gespräch. Der Mann und Ducket machten kehrt, zurück zum Cheap, während Fleming mit dem Karren seinen Heimweg fortsetzte. Hinter St. Mary-le-Bow begaben sich die zwei Männer in eine Schenke.
Zum Glück war der Raum ziemlich voll. Silversleeves sah die beiden an einem Tisch sitzen, aber sie schienen ihn nicht zu bemerken. Er bestellte einen Krug Wein und beobachtete die zwei Männer. Der Handwerker wirkte glücklich und ziemlich erregt. Er bestellte eine weitere Runde Bier, blickte sich verstohlen um und überreichte Ducket schließlich ein Päckchen, offenbar ein Geschenk. Ducket begann, es auszuwickeln. Silversleeves pirschte sich noch ein wenig näher an die beiden heran. Er sah, daß es sich um ein Buch handelte, und obwohl er ein ganzes Stück von ihnen entfernt war, konnte er das Wort lesen, das groß auf der ersten Seite stand: Genesis. Eine Lollardenbibel!
Er zog sich rasch zurück. Ein Lollardentraktat. Schnell überdachte er diese Neuigkeit aus allen möglichen Blickwinkeln. Dann lächelte er plötzlich. Vielleicht war es doch nicht nötig, Ducket zu töten.
Der Abend war schon recht fortgeschritten, als Ducket zur Brücke hinabschlenderte. Das Buch Genesis hatte er in einen Beutel gesteckt, der nun an seiner Schulter baumelte. Eigentlich war er nicht gerade versessen darauf, hatte aber nicht die Stirn besessen, es Carpenter zu sagen, der es ihm so offensichtlich stolz überreicht hatte.
Da sah er zwei Männer auf sich zukommen, einen Stadtgendarmen und Silversleeves, die offenbar mit ihm reden wollten. »Laßt mich den Beutel sehen!« sagte der Gendarm. Ducket überreichte ihn zögernd, und der Gendarm zog das Buch heraus und gab es dem Juristen. »Das Buch Genesis!« erklärte dieser. »Und als Vorwort ein Lollardentraktat. Ich denke, Ihr solltet es konfiszieren.«
»Das könnt Ihr nicht tun!« erwiderte Ducket heftig. »Ich habe kein Gesetz verletzt.«
Der Gendarm blickte auf Silversleeves. Tatsächlich wußten beide nicht, ob der Besitz dieses Materials legal war oder nicht, aber über die Gefahren, die von Lollardenanhängern ausgingen, bestand kein Zweifel. »Ihr solltet es behalten, bis wir wissen, ob der Besitz bestraft werden soll oder nicht«,
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