London
wies Silversleeves den Beamten mit fester Stimme an. »Es ist ein Beweismittel.«
Der Gendarm nickte. »Woher habt Ihr dieses Buch, Bursche?« fragte er.
Ducket überlegte kurz. Wenn denn dieses verdammte Ding tatsächlich illegal war, wollte er zumindest den armen Carpenter vor Ärger bewahren. »Ich habe es gefunden«, sagte er.
»Das ist eine Ausflucht«, sagte der Jurist. »Er ist schuldig.«
»Schuft!« schrie Ducket. »Nekromant!«
»Aha!« Silversleeves lächelte. »Nekromant nennt er mich! Ihr Lollarden behauptet doch, daß die heilige Messe die reine Geisterbeschwörung ist. Bitte merkt Euch dies, Gendarm!«
»Ich weiß, wo Ihr zu finden seid, Bursche!« sagte der Gendarm.
Als Bull hörte, was Silversleeves zu sagen hatte, wurde er sehr ärgerlich. »Natürlich hattet Ihr recht, mir dies mitzuteilen«, erklärte er.
»Ich war mir nicht ganz sicher«, meinte Silversleeves. »Ich hätte ja nichts gesagt, aber ich weiß, daß Ducket mit Euch in Verbindung steht, und ich habe den Eindruck, daß er auf die schiefe Bahn geraten ist. Vielleicht könnt Ihr ihm helfen? Ich persönlich glaube ja, daß der junge Kerl völlig harmlos ist.«
»Nein!« rief Bull. »Da habt Ihr unrecht. Die Vorfälle haben sich gehäuft. Diebstahl, Auflehnung, und nun Lollardenanhängerschaft. Und Euch hat er auch noch beleidigt?«
»Nekromant hat er mich genannt.« Silversleeves lachte. »Das heißt doch nichts weiter. Ich dachte nur, daß Ihr vielleicht ein gutes Wort für ihn einlegen könnt, wenn es denn zu einer Verhandlung kommt.«
Bull schüttelte den Kopf. »Jetzt nicht mehr. Ich glaube, ich werde sogar zu strengeren Maßnahmen greifen müssen. Eigentlich wollte ich ihm nach Beendigung seiner Lehrzeit eine bestimmte Summe zukommen lassen, aber jetzt werde ich das wohl nicht mehr tun.« Er seufzte. »Schlechte Anlagen, der Junge steckt einfach voller schlechter Anlagen.« Dann klopfte er dem Juristen auf die Schulter. »Doch nun wollen wir über Erfreulicheres sprechen. In drei Wochen findet Eure Hochzeit statt. Bereitet Euch darauf vor.«
In dieser Nacht vernichtete Silversleeves sorgfältig sämtliche Beweismittel, die darauf hinwiesen, daß er versucht hatte, unedle Metalle in Gold zu verwandeln.
Fleming war ausgegangen. Niemand war da, mit dem er hätte reden können. Als Ducket am nächsten Morgen im »George« saß, hatte er den Eindruck, daß es tatsächlich eine unwiderrufliche Ordnung im Universum gab. Aus unedlem Metall konnte man kein Gold herstellen, und ein Findelkind aus einer niedrigen Schicht konnte niemals über seine Herkunft hinauswachsen. Er konnte keinen Penny sein eigen nennen. Bull hatte es ihm nicht einmal persönlich mitgeteilt, sondern nur Dame Barnikel eine Botschaft zukommen lassen, die es ihm dann sagte. Was konnte er nun tun? Manchmal gab die Gilde jungen Mitgliedern mit gutem Ruf ein Startkapital. Aber welchen Ruf hatte er inzwischen?
Da tauchte kurz vor dem Mittagsläuten Tiffany auf. Sie trug ein blaßlila Gewand und einen kleinen Hut. Ihre Brüste waren nur knapp bedeckt, und Ducket bemerkte, wie wohlgeformt sie inzwischen waren. Sie setzte sich neben ihn.
»Wahrscheinlich hat man dir verboten, mich zu besuchen«, sagte er.
»Wahrscheinlich«, erwiderte sie. »Aber ich werde es immer tun, egal, was passiert.« Sie nahm seine Hand.
Sie saßen eine Stunde lang beisammen. Er erklärte ihr, wie er zu der Lollardenbibel gekommen war, obwohl er noch immer keinen Namen nannte. Er konnte sich nur nicht erklären, wie Silversleeves Wind davon bekommen hatte.
»Es tut mir leid, daß es ausgerechnet Silversleeves war«, sagte sie schließlich stirnrunzelnd. »Aber ich bin mir sicher, daß er dir nur helfen wollte. Ich werde ihn bitten zu versuchen, meinen Vater umzustimmen. Wir werden in drei Wochen heiraten«, fügte sie noch hinzu.
»Tatsächlich? Wann ist das denn festgelegt worden?«
»Gestern abend. Kurz, nachdem er dich getroffen hat.«
Jetzt verstand Ducket. Der gerissene Jurist hatte ihre Abmachung gebrochen, aber zuerst hatte er ihn noch auf äußerst geschickte Weise in Verruf gebracht. Jetzt würde man ihm nichts mehr glauben, alles würde nur noch als Boshaftigkeit seinerseits abgestempelt werden. Und der Jurist hatte seine Spuren sicher bestens verwischt. Doch Tiffany mußte gerettet werden.
Er erzählte ihr alles. Zwar erwähnte er Flemings Namen nicht, aber er erklärte ihr, wie er Silversleeves auf die Schliche gekommen war. Er erklärte ihr, daß der Jurist alle
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