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London

London

Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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wird nie wieder in dieses Gebäude einziehen«, schloß er. »Es ist doppelt ärgerlich, weil wir das Theater selbst gebaut haben«, hörte sie einen der Burbages bemerken. Vor zwanzig Jahren, bevor der ursprüngliche Pachtvertrag abgeschlossen wurde, hatten die Burbages das hölzerne Gebäude auf dem Grundstück errichtet, aber da die Pacht für den Grund abgelaufen war, konnten sie sich keinen Zugang verschaffen. »Ich fürchte, diese Saison könnte unsere letzte sein«, sagte Janes Vater Anfang Juni traurig.
    Diese Aussicht bewirkte, daß Jane sich gegen Edmund verschloß. Wenn die Truppe aufhörte und niemand sein Stück aufrühren wollte, würde sich Edmund nie selbstsicher genug fühlen, um eine Frau zu nehmen. Mit beträchtlicher Reife erkannte sie, daß er sich für sie interessierte, weil sie zum Theater gehörte. Dogget hingegen mochte sie einfach um ihrer selbst willen.
    Einen Tag nachdem sie zu ihrer Sommertournee aufgebrochen waren, teilte Janes Vater ihr die traurige Nachricht mit, unter der Bedingung, daß sie den Schauspielern nichts verriet.
    »Shakespeare hat den Burbages gesagt«, vertraute er ihr an, »wenn sie kein neues Theater für ihn fänden, würde er die Bühne verlassen und sich zurückziehen.« Da Shakespeare nun seinen Besitz in Stratford hatte, hielt Fleming die Drohung für echt.
    »Besteht irgendeine Hoffnung?« fragte Jane.
    »Eine Chance, aber nur eine geringe«, antwortete er. »Die Burbages haben Giles Allen ein Angebot für einen neuen Pachtvertrag gemacht. Es ist so hoch, daß es heißt, er ziehe es in Betracht, obwohl er Ducket und die Aldermen fürchtet. Im Herbst wird er sich entscheiden.«
    Als Edmund Meredith sich an einem kalten Oktobernachmittag auf den Weg zum Haus der Burbages in der Stadt machte, war er sowohl nachdenklich als auch fröhlich. Nachdenklich wegen Cuthbert Carpenter, mit dem er die letzte Stunde im »George« verbracht und sich seine Sorgen angehört hatte. Seine Großmutter war zu der Überzeugung gelangt, er würde aufgrund seiner Neigung zu Vergnügungen sicher zur Hölle fahren, und hatte das auch seinem puritanischen Meister mitgeteilt, der nun immer etwas an Cuthberts Arbeit auszusetzen hatte. »Ich muß einen neuen Meister finden«, erklärte Carpenter. »Aber die meisten der guten Zimmerermeister sind heutzutage Puritaner.«
    Edmund hatte ihn getröstet, so gut er konnte, war aber nicht sicher, was er zu tun vermochte. Aus einem anderen Grund war er fröhlich – sein Stück war fertig. Es war ein Meisterwerk, eine bunte Mischung aus Melodrama, Schwulst und Lärm. Vor zwei Tagen hatte er den Burbages eine Nachricht gesandt, und nun hatten sie ihn zu sich bestellt. Die Abschrift des Stücks trug er unter dem Arm. Er war erstaunt, Shakespeare und drei der anderen ebenfalls zu sehen; ihre Gesichter blickten ernst.
    »Ich fürchte, die Chamberlain's Men sind am Ende ihrer Laufbahn«, erklärte Burbage. »Wir wollen im Curtain nicht weitermachen.«
    Edmund starrte sie an. »Aber mein Stück… Es ist für das Curtain geschrieben.«
    »Es tut mir leid. Wir haben Euch hergebeten, weil Ihr zu den Gläubigern gehört. Aber wir wissen nicht, ob wir überhaupt zurückzahlen können.«
    Edmund war wie vor den Kopf gestoßen. »Gibt es keine anderen Möglichkeiten?«
    »Wir haben versucht, einen neuen Pachtvertrag für das Theatre zu bekommen«, erklärte Shakespeare. »Aber Allen hat abgelehnt.«
    Edmund vergaß nicht oft, daß er in der Welt etwas darstellen wollte, aber nun vergrub er das Gesicht in den Händen und weinte fast. Nach einer Weile stand er auf und ging.
    Langsam wanderte er zurück zu seiner Wohnung und verdaute die Nachricht. Erst als er das »Staple Inn« erreichte, kam ihm die Idee – eine Idee, die ihn veranlaßte, zum Haus der Burbages zurückzurennen. Er platzte zur Tür herein, wo alle noch am Tisch saßen, und rief: »Laßt mich den Pachtvertrag sehen!« Immerhin war er Rechtsanwalt. Ein paar Minuten später machte er einen Vorschlag. Seine Idee war so kühn, so gerissen, daß eine kurze Weile lang niemand etwas sagte: »Wir müssen vorsichtig sein, damit niemand erfährt, was wir vorhaben«, fügte er schließlich hinzu.
    Von allen Veränderungen, die sich während des Jahrhunderts der Tudorherrschaft in England vollzogen, wurde eine der verblüffendsten kaum bemerkt. Es begann während der Herrschaft König Heinrichs, aber erst nach der Hälfte der Regierungszeit Elisabeths wurde es deutlich spürbar: In England wurde es

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