London
kälter.
Die kleine Eiszeit des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts war nie beunruhigend; kein Gletscher begann sich über die Insel zu schieben; das Meer wich nicht zurück. Doch im Laufe von etwa hundert Jahren sank die Durchschnittstemperatur in England um mehrere Grade. Es gab weiterhin milde Sommertage, Frühling und Herbst mochten etwas kühler scheinen, doch erst im Winter sahen die Menschen wirklich eine Veränderung. Es begann früher und mehr zu schneien; dicke Eiszapfen hingen von den Dachtraufen. Und, was man kaum gekannt hatte, die Flüsse froren zu.
Niemand beachtete die Männer, die die Straße nach Shoreditch hinaufstapften, als an diesem eiskalten Dezembertag die Dämmerung hereinbrach. Manche trugen Hämmer, andere hatten Sägen und Meißel dabei, und alle verschwanden schließlich im Haus der Flemings. Es wurde dunkel, als zwei weitere eingemummte Gestalten eintraten, die beiden Brüder Burbage, denen bald eine schlankere Person folgte.
Cuthbert Carpenters Gesicht leuchtete. Man hatte ihm Fleischpasteten und heißen Grog gegeben. Als er so auf der Bank saß, eingepfercht zwischen einem Zimmererkollegen und einem Stapel von Kostümen, konnte er kaum zu grinsen aufhören. Dies war das Aufregendste, was er je in seinem Leben getan hatte. Alles dank Meredith, der sowohl einen neuen Meister für ihn gefunden und ihm vor drei Tagen den Mut gegeben hatte, etwas noch Waghalsigeres zu tun – bei seiner Großmutter auszuziehen. Aber selbst das war noch ein geringes Vergehen, verglichen mit dem ungewöhnlichen Unterfangen, an dem er nun beteiligt war. Nach der Arbeit dieser Nacht würde er sicherlich in die Hölle kommen, aber das scherte ihn nicht.
Um zehn Uhr abends ging die Tür der Flemings endlich wieder auf. Die Männer traten hinaus, manche von ihnen hatten abgeschirmte Lampen dabei. Schweigend machten sie sich auf den Weg zum Theatre. Die Burbages waren bereits an der Tür. Ein gedämpftes Krachen ertönte, als sie die Tür aufbrachen. Ein paar Augenblicke später waren alle Männer im Theatre verschwunden.
Außer einem. Edmund blieb in dem kleinen Haus zurück. Er wußte, daß er noch nicht gebraucht wurde. Er lag auf einer Bank, zugedeckt mit einem Mantel, an seiner Seite saß Jane. In letzter Zeit hatte sie Dogget fast vergessen, so nahe waren sie und Meredith sich gekommen. Tatsächlich schien es ihr, als habe sie einen ganz neuen Mann in Meredith entdeckt: Er zeigte eine Entschlossenheit und Gründlichkeit, die sie zuvor nicht gekannt hatte. Drei ganze Wochen hatte er sich ins »Staple Inn« zurückgezogen und Präzedenzfälle und Pachtverträge studiert, bis er den Burbages schließlich eine juristische Argumentation für das Unternehmen des heutigen Abends präsentierte, die nicht mehr verbessert werden konnte, wie der erfahrene Rechtsanwalt sagte, der sie überprüft hatte. Edmund arbeitete nun als unbezahlter Anwalt für die Schauspieltruppe und ersparte ihr ein Vermögen an Honoraren. Der kaltblütige Wagemut des ganzen Unterfangens gefiel Jane. Sie beugte sich vor, küßte ihn auf die Lippen und erklärte lachend: »Du siehst wie ein Pirat aus.«
Die Zimmerer erledigten ihre Arbeit geschickt. Von den Verbindungsstücken wurde der Putz abgekratzt, dann löste man sie ab, Bretter wurden vorsichtig losgestemmt, überall in dem Schauspielhaus arbeiteten sie beim Schein der Lampen so leise wie möglich. Schon war von der Bühne nur noch ein Skelett übrig. Nun, eine Stunde vor der Morgendämmerung, war es Zeit, mit dem Hämmern zu beginnen.
Köpfe tauchten in den Fenstern auf, Rufe wurden laut, Türen gingen auf. Die Nachbarn stießen auf einen lächelnden, höflichen Edmund Meredith, der ihnen versicherte, daß der Lärm bald vorbei sei. Als man fragte, was die Arbeiter eigentlich machten, erwiderte er einfach: »Nun – sie bauen das Theatre ab. Wir nehmen es mit.«
Und genau das taten sie. Mit einer in der Theatergeschichte einzigartigen Leistung bauten die Burbages ihr Schauspielhaus auseinander, Balken für Balken, und nahmen es mit, um es woanders aufzubauen.
Die Sonne stand bereits hoch, als Alderman Ducket sich durch die Menge der Gaffer drängte, das Gesicht fahl vor Zorn. Er verlangte zu wissen, was hier vorgehe. »Wir bauen nur unser Schauspielhaus ab«, erwiderte Edmund.
»Ihr dürft es nicht antasten! Dieses Theater gehört Giles Allen, und Euer Pachtvertrag ist abgelaufen.«
»Der Grund und Boden gehört Giles Allen«, stimmte Meredith zu, »aber das Schauspielhaus
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