London
ein.
Das stimmte. Kein Penny von der riesigen Geldsumme, die man in Blackfriars angelegt hatte, kein Theater, keine Stücke, die aufgeführt wurden, kein Einkommen. Die Vorstellungen am Hof würden etwas einbringen, aber nur gerade soviel, daß sie sich weiter halten konnten.
»Habt Geduld«, tröstete Shakespeare. »Unser Geschick mag sich zum Guten wenden.«
Für Edmund war das ein schwacher Trost. Gerade hatte er erfahren, daß seine Geliebte ihn hintergangen hatte und daß sein Stück so gut wie gescheitert war. Und als er am folgenden Tag seinen Cousin Bull traf, der ihn fragte, wie die Sache stand, murmelte er nur schnell, alles sei in Ordnung, und eilte davon.
Jedenfalls brachte er genügend Tatkraft auf, um seine Beziehung zu Lady Redlynch einigermaßen stilvoll zu beenden. Er sandte ihr einen Brief, der seine Verehrung für sie in so verstiegenen Übertreibungen ausdrückte, daß sie kaum umhinkonnte zu argwöhnen, er sei ihrer überdrüssig geworden. Anschließend teilte er die Neuigkeit mit: Das Theater in Blackfriars, auf das sie beide so leidenschaftlich gehofft hatten, war durch die Hände schnöder Banausen zerstört worden. Sein Schmerz, den sie sicher teile, war so groß, daß er sich aus den Augen der Welt zurückziehen mußte.
Zwei Tage später, immer noch sehr melancholisch gestimmt, machte er sich auf den Weg nach Shoreditch. Seit der Begegnung mit der Königin hatte er kaum mit Jane gesprochen. Als er im Haus der Flemings ankam, fand er sie seltsam verändert. Sie ging ihrer Arbeit nach und schien ihm keine besondere Beachtung zu schenken. »Nicht jetzt. Vielleicht ein andermal«, erklärte sie, als er sie fragte, ob sie mit ihm Spazierengehen wolle.
»Gibt es einen Grund für diese kühle Art?« fragte er. Sie lächelte und schien überrascht. »Ich bin nicht kühl. Wie Ihr seht, habe ich viel zu tun.« Da er keine weitere Zurückweisung riskieren wollte, ging er.
1598
Die ersten Monate des Jahres waren für Edmund düster. Seine literarischen Bemühungen führten zu keinerlei Erfolg. Er hatte sein Stück der Truppe des Admirals angeboten, aber es war bedauernd abgelehnt worden. »Es ist zu gut für uns, zu vornehm«, sagten sie höflich. Ein Monat verstrich, und seine Stimmung wurde immer finsterer. Und dann veränderte er sich.
Zuerst konnten es seine Freunde kaum glauben. Verschwunden waren seine eleganten Kleider; er trug einen einfachen braunen Rock, sein Hut war kleiner und nur mit einer bescheidenen Feder geschmückt, und er ließ sich sogar einen struppigen kleinen Bart wachsen, mit dem er tatsächlich wie ein Arbeiter aussah. Als Rose und Sterne Einwände erhoben, nannte er sie Stutzer. »Ich schreibe ein neues Stück«, kündigte er an. »Ein Stück für das gemeine Volk, ein Stück für das Curtain.«
Es war das einzige Schauspielhaus, das ihm noch übrigblieb, und er war fest entschlossen. Die Burbages zweifelten, ob er so etwas fertigbringen könne, doch er erinnerte sie kühl daran, daß sie ihm fünfundfünfzig Pfund schuldeten. Und als sie ihn fragten, welche Art von Stück er im Sinn habe, antwortete er: »Ein Historiendrama, in dem viel gekämpft wird.« Solche Dramen hatte er natürlich gesehen; nun war es an der Zeit, die Texte zu lesen und zu analysieren.
Dabei stieß er auf ein Problem. Es gab fast keine Texte, denn die geschriebenen Stücke wurden zerschnitten und in die einzelnen Rollen aufgeteilt, so daß jeder Schauspieler seinen Part lernen konnte. Die Bühnenanweisungen bekam der Garderobier, damit er Requisiten und Kostüme besorgen konnte. Nur der Autor oder wahrscheinlich der Theaterleiter besaßen einen kompletten Text, der sorgfältig aufbewahrt wurde. Manchmal wurden diese Texte später gedruckt, meistens jedoch nicht. Je erfolgreicher das Stück war, desto geringer war die Chance, daß der Autor es drucken ließ, denn es gab kein Urheberrecht. Wenn eine andere Truppe ein Exemplar des Stücks erwarb und eine Raubaufführung auf die Bühne brachte, ohne dem Autor etwas zu bezahlen, konnte dieser nichts dagegen tun. Texte waren wertvoller Besitz, und wenn Shakespeare die seinen nicht drucken ließ – was zu seinen Lebzeiten tatsächlich nicht geschah –, war er nicht gleichgültig gegen ihren Wert, sondern schützte lediglich sein Einkommen.
Edmund hätte natürlich die Burbages um die Texte von mehreren Stücken bitten können, aber da er fürchtete, das könne seinen Mangel an Selbstvertrauen verraten, widerstrebte ihm das. Er hatte eine andere
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