London
Idee. Wenn ein Stück abgesetzt wurde, bewahrte man die Rollen der Schauspieler häufig in der Theatergarderobe auf, falls man das Stück noch einmal gab. Fleming konnte sicherlich ein paar Stücke zusammenstellen. Also ging Edmund an Ostern noch einmal zu Jane und fragte sie, ob sie ihm ein paar Abschriften zusammensuchen könne.
Er fand sie sehr beschäftigt vor, denn die ersten Monate im Curtain waren nicht leicht gewesen. Obwohl es etwa so groß war wie das Theatre, war es weniger praktisch eingerichtet. Die Garderobe war kleiner, die Bühne weniger zweckmäßig, und die Theaterleute mußten regelmäßig das Feld für andere Belustigungen räumen, etwa für Hahnenkämpfe. Jane hatte gehört, daß Edmunds Affäre mit Lady Redlynch vorbei war, aber in den Monaten nach Weihnachten, als er so niedergeschlagen war, hatte man ihn nicht im Theater gesehen, und so hatten sie sich nicht getroffen. Und sie hatte auch überhaupt nicht an das Thema Männer gedacht, mit Ausnahme vielleicht an Dogget.
Sie hatte den jungen Schiffsbauer schon früher in Edmunds Gesellschaft gesehen; ab Januar dann wurde sie auf ihn aufmerksam. Er war oft da und brachte sie zum Lachen. Ein kleiner Vorfall Anfang Februar beeindruckte sie. Eine Gruppe von Theaterleuten und ihre Freunde wollten zusammen in ein Gasthaus gehen, darunter Dogget. Sie hatte zurückbleiben müssen, weil in der Garderobe soviel zu tun war. Ohne ein Wort, aber mit einem fröhlichen Lächeln blieb Dogget auch und half ihr volle fünf Stunden lang beim Sortieren und Reinigen von Kostümen, und sie konnte nicht umhin zu denken: Hätte Edmund Meredith das je getan?
Seither hatte sich eine angenehme Freundschaft entwickelt; Dogget kam oft vorbei, und sie gingen zusammen aus. Sie fühlte sich wohl in seiner Gegenwart. Ende Februar hatte er ihr einen keuschen Kuß gegeben. »Ich vermute, Ihr hattet eine Menge Mädchen«, neckte sie ihn eine Woche später.
»Nicht ein einziges«, erwiderte er mit schalkhaften Augen, und beide lachten. Zwei Wochen später gab sie ihm zu verstehen, daß er sie richtig küssen könne, und stellte fest, daß ihr auch das gefiel. Als ihre Mutter schüchtern bemerkte: »Glaubst du, du würdest glücklich mit ihm sein?«, hatte sie daher zögernd geantwortet: »Ich glaube. Vielleicht.«
Wenn sie irgendeinen Zweifel hegte, dann wegen des Gefühls, das sie verspürte, wenn die Truppe zu ihrer Sommertournee aufbrach: ein Verlangen, neue Orte zu sehen, ein Bedürfnis nach Abenteuer, wie einer, der die Meere bereist. Soweit sie wußte, hatten solche Gedanken die Familie Fleming bisher nie heimgesucht, daher kam sie zu dem Schluß, sie müßten eine kindische Laune sein. Dann tauchte Meredith wieder auf.
Während der Frühling weiter voranschritt, fühlte sich Edmund zufrieden. Das Stück, das er sich ausdachte, hatte ein mitreißendes Thema: die spanische Armada. Er verfaßte edle Reden der Königin, von Drake und anderen Seebären. Der Gefechtsverlauf sollte ausführlich inszeniert werden, wobei es nötig war, mehrere Male eine Kanone abzufeuern. Die Schlußrede wollte er nach dem Vorbild von Marlowe in hochtrabender Sprache gestalten und betonen, wie Gottes Hand die spanischen Galeonen im Sturm vernichtet hatte. »Dem gewöhnlichen Volk wird das gefallen«, prophezeite er. Ende Mai, als der erste Akt fertig war, begann Edmund sich erneut als eine Figur zu sehen, die in der Welt etwas darstellte, und mit diesem Phantasiebild kam die Erkenntnis, daß er Jane gerne an seiner Seite hätte. Es war Zeit, sie zurückzugewinnen. In der ersten Juniwoche schenkte er ihr einen Blumenstrauß, eine Woche später ein silbernes Armband.
Jane hatte sich auf ihre ruhige Art gefreut, als Edmund sie um ihre Hilfe bat. Vielleicht war sie ein wenig neugierig wegen der Veränderung, die sich an ihm vollzogen hatte, aber das waren alle seine Bekannten. Die Blumen und das Armband nahm sie als Dank für die Texte, die sie ihm besorgt hatte.
Die Lage im Curtain wurde nicht besser. Trotz all ihrer Bemühungen widerstrebte es dem vornehmeren Teil des Publikums immer noch, den Fuß in dieses Gebäude zu setzen. Auch unter den Schauspielern gab es Spannungen. Manche, angeführt vom Possenreißer, waren der Ansicht, sie sollten dem Publikum obszönere Unterhaltung bieten; andere, darunter Shakespeare, wollten die Qualität der Arbeit verbessern.
»Wir nehmen nicht genug Geld ein«, erklärte Janes Vater. Die Burbages hatten finanzielle Schwierigkeiten, deutete er an. »Die Truppe
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