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London

London

Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Du magst vielleicht einst einen größeren Fürsten haben, aber nie mehr einen, der dich mehr liebt.« Das sagte sie jedesmal, und jedesmal war die Menge erfreut. Man trug sie zu der Tür, die in das große Treppenhaus führte, und einen kurzen Augenblick verlor man sie aus den Augen. Doch am Eingang der Galerie, die zu den Privatgemächern führte, wurden Kerzen angezündet. Augenblicke später zog das kleine Gefolge in einer würdevollen Prozession die Galerie entlang; die Königin ging nun zu Fuß, und das Kerzenlicht schimmerte auf ihrem juwelenbesetzten Gewand, wenn sie hinter einem der Glasfenster zu sehen war. Es war bezaubernd, es war märchenhaft, und es war, wie Edmund bemerkte, reines Theater. Am dritten Fenster hielt sie ganz unverkennbar inne, hob die Hand zu einem stummen Gruß und ließ ein Taschentuch fallen.
    Jane folgte Edmund und Lady Redlynch den ganzen Weg zum Ludgate und in die Stadt zurück. Sie hörte sie lachen. Sie folgte ihnen auch noch, als sie nach Blackfriars abbogen und Lady Redlynchs Haus betraten. Im Schatten eines der Torwege beobachtete sie das Haus drei Stunden lang, bis die letzten Lichter ausgingen. Dann eilte sie durch die Stadt zurück und die einsame Straße nach Shoreditch hinauf. Im Morgengrauen des nächsten Tages erwachte Edmund mit neuer Hoffnung, und als er an Jane dachte, kam er zu dem Entschluß, es sei an der Zeit, sich von Lady Redlynch zu trennen. Jane jedoch hatte kein Auge zugetan und weinte immer noch.
    Am Morgen nach dem Vorfall mit der Königin ging Edmund zu den Burbages. Zuerst glaubten sie ihm nicht; doch dann kam vom königlichen Hof die Aufforderung, eine Auswahl ihrer beliebtesten Stücke für die Weihnachtsfeiern bei Hofe vorzubereiten. Alle waren in dem Raum versammelt – die Brüder Burbage mit ihren breiten, klugen Gesichtern, Will Shakespeare, die übrigen führenden Schauspieler. »Wir werden am Hof vier Stück aufführen; wir bieten ihnen drei von Shakespeare an, einschließlich Romeo und Julia und Sommernachtstraum«, erklärte der ältere Burbage, »und eines von Ben Jonson. Wenn das angenommen wird, bedeutet es, daß man dem armen Kerl verziehen hat.« Er hielt inne. »Und es gibt noch bessere Neuigkeiten. Es wird erst an Neujahr verkündet werden, aber das Verbot von Schauspielen soll teilweise aufgehoben werden. Der Geheime Kronrat wird uns und der Truppe des Admirals erlauben, wieder öffentliche Vorstellungen zu geben.«
    Edmund spürte eine Welle der Aufregung. »Dann kann mein Stück aufgeführt werden.«
    Die Brüder Burbage sahen verlegen aus. »Ich fürchte, Ihr müßt Euch wappnen«, sagte schließlich Will Shakespeare. »Es gibt auch schlechte Nachrichten. Wir haben kein Theater, und das Blackfriars wagen wir nicht zu nehmen.«
    »Vor zwei Tagen«, fuhr Burbage mit der Geschichte fort, »hat der Geheime Kronrat wieder einen Brief erhalten, von Ducket und vielen anderen Bewohnern von Blackfriars. Sie haben erneut Einspruch dagegen erhoben. Sie wollen uns dort nicht haben. Und da alles so in der Schwebe ist… Das Risiko ist zu groß.«
    »Aber Lady Redlynch glaubt…«, begann Edmund, brach jedoch ab.
    »Sie gehört zu denen, die den Brief unterzeichnet haben«, erklärte Burbage barsch.
    Edmund spürte, wie er rot wurde. Sie hatte ihn betrogen. Shakespeare kam ihm zu Hilfe: »Sie hat ein Haus dort, und Ducket ist mächtig.«
    »Nicht alles ist verloren«, fuhr Burbage fort. »Zumindest für den Augenblick haben wir ein Theater, wo wir ein paar Stücke aufführen können. Doch was Euer Stück betrifft, so sehr es mir auch gefällt – in das Theater, in dem wir spielen werden, paßt es nicht. Wir müssen ins Curtain gehen.«
    »Ins Curtain?« Die Bärengrube. Das Schauspielhaus für die allerniedrigsten Volksklassen. Nur wenige der vornehmen Leute, die er kannte, würden dort einen Fuß hineinsetzen. Seine funkelnde Darstellung von höfischem Esprit… Man würde sie auspfeifen.
    »Wenn eine andere Truppe Euer Stück aufführen will, seid Ihr natürlich frei, an sie heranzutreten«, setzte Burbage hinzu.
    »Im Augenblick gibt es nur die Truppe des Admirals, unsere Rivalen«, erwiderte Edmund.
    »Unter diesen Umständen könnten wir Euch dennoch nicht davon abhalten«, meinte der zweite Burbage hastig.
    »Ich habe Euch fünfundfünfzig Pfund geliehen«, erklärte Edmund.
    »Sie werden zurückgezahlt werden«, antwortete Burbage fest.
    »Nur nicht sogleich. Die Wahrheit ist, wir haben kein Geld«, mischte Shakespeare sich wieder

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