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London

London

Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Gottesdienst. Wie kann ein Mann Gott dienen, wenn er seine Arbeit nicht liebt?«
    »Er sollte seinem Vater gehorchen«, protestierte Dogget.
    »Gott ist sein Vater«, verbesserte sie ihn sanft. »Nicht du.«
    Er war so zornig, daß er tagelang nicht mit ihr sprach. Doch eine Woche später fand er sich mit Martha in Billingsgate, wo sie von dem großen, rotbärtigen Oberhaupt der Familie Barnikel empfangen wurden, einem der bekanntesten Männer in der Fischhändlergilde, der ihm mitteilte: »Ich habe einen guten Schiffsplatz für Euren Jungen gefunden. Kenne den Kapitän gut.« Und bevor Dogget eine Antwort stammeln konnte, fügte er hinzu: »Freue mich, Euch zu helfen. Der gute Name Eurer Frau eilt ihr voraus.«
    Während nun der Himmel heller wurde, schienen diese Worte in seinem Kopf widerzuhallen. Der gute Name seiner Frau. Ohne diesen verfluchten guten Namen wäre das alles nicht geschehen. Aber was konnte er tun? Die Fähre kam, um sie zu holen. Und über dem Wasser, gerade unterhalb von Wapping vertäut, konnte er die Falle sehen, in die er geführt werden sollte. In diesen stabilen Dreimaster namens May flower.
    Gegen Mittag hatten sie den Medway überquert. Die Mayflower war ein gutes kleines Schiff; hundertundachtzig Tonnen, und zu einem Viertel gehörte sie Kapitän Jones, der sie steuerte – ebenfalls ein Zeichen, daß sie solide war. Sie wurde oft von Londoner Kaufleuten gemietet und hatte schon häufig Wein im Mittelmeer transportiert. Seetüchtig, gut ausgestattet und geräumig, war sie bestens ausgerüstet, um ihre Passagiere in die Neue Welt zu bringen.
    Martha war in der Vergangenheit öfter von Vertretern der Virginiagesellschaft angesprochen worden, ob sie und ihre Familie sich nicht dort ansiedeln wollten, doch das galt für halb London. Sie hatte freundlich darauf hingewiesen, daß es wenig Sinn hatte, den Atlantik zu überqueren, nur um auf der anderen Seite ebenfalls König Jakobs Kirche zu finden. Aber dieses Unternehmen war anders. Als sie von der kleinen Gruppe Puritaner gehört hatte, die vorhatten, ihre eigene Gemeinde zu gründen, nicht in Virginia, sondern in der Wildnis von Amerikas Nordküste, war sie fasziniert. Sie hatte Dogget von ihrer Sehnsucht erzählt, doch er hatte nur gelacht. Aber dann hatte der älteste Sohn, als er von einem Fischzug zurückkehrte, verkündet: »Vater, es gibt eine neue Gesellschaft, die eine Ansiedlung weit nördlich von Virginia plant, in der Kolonie Massachusetts. Die Kaufleutegruppe ›Merchant Adventurers‹ organisiert es. Wir könnten gut verdienen; Barnikel, der Fischhändler, meint das auch. Es gibt dort Kabeljau.«
    Das machte das ganze Unternehmen möglich. Auch König Jakob wußte, daß dieses Siedlungsgebiet in der Nähe einiger der reichsten Fischgründe in der Neuen Welt lag. »Natürlich ist es ein Risiko«, räumte der Junge ein. »Aber du kannst Boote bauen, und ich fische.« Trotzdem war Dogget nicht begeistert.
    Das geheimnisvolle Angebot kam am nächsten Tag. Martha tappte ebenso im dunkeln wie Dogget, obwohl es klar war, daß das Angebot von einer oder mehreren Personen aus der puritanischen Gemeinde kommen mußte. Eine Botschaft wurde überbracht, die besagte, wenn sie an der Expedition teilnehmen wollten, sei ein Gönner bereit, Dogget eine hübsche Summe für die Bootswerkstatt zu zahlen – weit mehr, als sie wert war – und ihnen zudem Aktien der Gesellschaft zu kaufen. Als dann sein Sohn zu ihm sagte: »Wo sonst könntest du soviel Geld für die Familie bekommen, Vater?«, hatte er widerwillig nachgegeben.
    Die Reise der Mayflower ist gut dokumentiert. Das Schiff fuhr die breite Themsemündung hinunter und weiter nach Osten, dann bog es nach Süden ab, um die Spitze von Kent herum und durch die Straße von Dover in den Ärmelkanal. Bei Southampton sollte sie ein Schwesterschiff mit Pilgern treffen, die Speedwell. Kurz vor Ende des Monats erreichte die Mayflower Southampton.
    Die Speedwell war ein sehr kleines Schiff, nur sechzig Tonnen. Als sie Richtung Southampton kam, bewegte sie sich auf eine seltsame, plumpe Art. Dogget starrte sie an und brummte: »Sie hat zu schwere Masten. Dieses Schiff ist nicht seetauglich.«
    Sie war es nicht. Nach einer Stunde hörten sie: »Sie muß überholt werden, bevor sie weiterfahren kann.« Es war schon mitten im August, als sie endlich aus Southampton ausliefen. Sie fuhren an der sandigen Küste des New Forest vorbei, dann entlang den Klippen und Buchten von Dorset. Im Morgengrauen des

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