Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
London

London

Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
Vom Netzwerk:
spürte eine Welle des alten Gefühls, doch die Zeit hatte einen Panzer um ihr Herz gelegt.
    »Du bist am Leben.« Er starrte sie immer noch verwundert an. »Ich habe es immer geglaubt. Du bist verheiratet?«
    »Ich bin Witwe. Gut versorgt. Mein Gatte Wheeler hatte eine Pflanzung in Virginia, und wir hatten keine Kinder.«
    »Ach ja.« Er lächelte. Sie sah, daß er denselben Gedanken gehabt hatte wie sie.
    »Eines würde ich gerne wissen«, meinte er nach langem Schweigen. »Als du verschwunden bist, konntest du nicht unmittelbar nach Virginia gegangen sein, da es die Kolonie damals noch nicht gab.« Er sah ein wenig verlegen drein. »Ich hatte mich gefragt… Da war ein Pirat… Ein Mohr…«
    Jane hatte nicht beabsichtigt, Orlando zu erwähnen. Sie hätte nur zu lügen brauchen. Doch sie wollte ihn ein wenig auf die Probe stellen.
    »Ich bitte dich, daß dies ein Geheimnis zwischen uns bleibt«, sagte sie. »Aber wenn du es wissen willst, es stimmt. Er hat mich entführt. Ich hatte keine Wahl. Niemand weiß es, und es ist lange her.«
    »Niemand«, murmelte er, »braucht es je zu wissen.« Jane fragte sich, ob es der Gedanke war, daß ein Mohr sie körperlich besessen hatte, der Edmund zurückzucken ließ?
    Doch was in Edmunds Kopf vorging, war weit ausgewogener. Sicherlich war ihm der Gedanke an den Mohren abscheulich, doch da dies lang vorbei war, auch seltsam erregend. Aber konnte der Dekan von St. Paul's eine Frau haben, die ein Mohr berührt hatte? Die Vorstellung erfüllte ihn mit Entsetzen. Und als er an John Dogget dachte, der peinlicherweise gerade in seinem Kirchspiel lebte, schloß er traurig: »Aber man könnte es argwöhnen.«
    Sie erriet, daß es vorbei war; ein paar Minuten später trennten sie sich mit Beteuerungen der Hochachtung. In der Watling Street traf sie zu ihrem Erstaunen John Dogget.
    Während der langen ruhigen Jahre nach 1630 hatte Julius Ducket eine brillante Idee. Sie könnte den König für immer vom Parlament befreien.
    Das Ende der Parlamente? Für jeden frei geborenen Engländer war ein solcher Gedanke zwar ein Greuel, aber einer Reihe von Leuten am Hof Karls I. vor allem seiner französischen Gattin Henrietta Maria, erschien das wünschenswert und ganz natürlich. Europas katholische Monarchien begannen zentralisierte absolutistische Staaten zu errichten, ohne Demütigungen durch emporgekommene Parlamente. »Auch wir wollen eine solche Monarchie errichten«, beschlossen Karl I. der an das Gottesgnadentum glaubte, und Henrietta Maria von Frankreich.
    Soweit funktionierte alles. In England herrschte Frieden; König Karl gelang es einigermaßen, mit seinem Einkommen hauszuhalten; das Parlament hatte nichts zu sagen. 1633 wurde Bischof Laud Erzbischof von Canterbury und begann mit einer landesweiten strengen Durchsetzung der anglikanischen Episkopalkirche, die »gründlich« sein würde, wie er versprach. »Gründlich« wurde bald zur Parole für die gesamte Herrschaft des Königs. »Die Puritaner hassen ihn, aber sie können ja immer noch nach Amerika auswandern«, bemerkte Henry. »Laud ist der beste Freund, den die Massachusetts Company je hatte.« Seit 1630, als ein energischer Gentleman namens Winthrop dorthin ausgewandert war, hatte die kleine puritanische Kolonie in Amerika rasch expandiert.
    Für Julius waren es glückliche Jahre. Er hatte ein fröhliches blondes Mädchen aus einer ebenbürtigen Familie geheiratet, und bald kamen Kinder. Henry, der bisher keinen Wunsch gezeigt hatte zu heiraten und oft in Bocton war, hatte vorgeschlagen, sie sollten das große Haus hinter Mary-le-Bow nehmen. Das Leben in London war angenehm. Daß kein Parlament einberufen wurde, bedeutete zumindest, daß es keine neuen Steuerforderungen gab. Eine Atmosphäre von Wohlstand und Fortschritt herrschte in der Stadt, und außerhalb der Mauern hatten zwei Adlige, Lord Leicester und Lord Bedford, begonnen, auf einem Teil ihres Landsitzes große, um viereckige offene Plätze gruppierte Häuser mit klassischen Fassaden errichten zu lassen. Eines dieser Projekte – Covent Garden – kam sofort in Mode, und Henry zog dort in ein schönes Haus.
    Nach Henrys Auszug wurde Julius Vorsitzender der Kirchspielversammlung, und auch hier versuchte er, ein fröhlicheres Regime zu errichten. Meredith war es nicht gelungen, Dekan von St. Paul's zu werden, und damit schien auch sein Reformeifer etwas erlahmt zu sein. Die Messen in St. Lawrence-Silversleeves wurden immer noch auf Lauds hochkirchliche Art zelebriert,

Weitere Kostenlose Bücher