London
Krise. Einige jüngere und verwegenere Mitglieder des Unterhauses erklärten die Protestation of the Commons gegen den König. »Eines kann ich dir sagen«, informierte Henry Julius, »das Parlament wird nicht mehr einberufen werden. Der König wird ohne es regieren.«
Im Jahre 1630 hatte Edmund Meredith bedeutendere Dinge im Kopf als das Parlament. Mit ihm in seinem Haus in der Watling Street lebten eine Haushälterin, ein Stubenmädchen und ein Junge. Sein Einkommen war ausreichend; seine Predigten außerhalb des Kirchspiels brachten ansehnliche Zusatzvergütungen. Sir Henry, erfreut darüber, daß er einen Gentleman als Vikar hatte, lud ihn einmal im Monat zum Dinner ein, was Edmund sehr genoß. Dennoch wollte er fort.
Meredith wurde es ein wenig langweilig. Er hatte schließlich Erfolg gehabt, doch nun fühlte er sich bereit zu Höherem. Er konnte, wie er meinte, immer noch mehr in der Gesellschaft darstellen; und er hatte sein Auge auf eine hohe Stelle geworfen. John Donne lag im Sterben, und wenn er nicht mehr lebte, würde eine Stelle frei – als Dekan der St.-Paul'sKathedrale. Wichtig war nicht der alte Steinkoloß, sondern der Name und die Predigten.
Man predigte in der Kathedrale, aber aufgrund einer eigentümlichen Tradition, die auf die frühen sächsischen Zeiten zurückging, wurden die größten Predigten im Freien abgehalten, auf der Kanzel im Kirchhof, die St. Paul's Cross genannt wurde. Für den Mayor und die Aldermen wurden Holztribünen aufgestellt, und riesige Menschenmengen versammelten sich. Es war die bedeutendste Kanzel Englands. Aber wie konnte er diese Stelle bekommen? Sir Henry hatte mit dem König gesprochen, aber die Person, auf die Meredith wirklich Eindruck machen mußte, war der neue Bischof von London. Und das war nicht leicht.
William Laud war ein kleiner Mann mit rotem Gesicht, einem adretten grauen Geißbärtchen und einem eisernen Willen. Im Hinblick auf die Kirche stimmte er vollkommen mit seinem König überein. »Es gibt in London zu viele Presbyterianer und Puritaner; sogar der halbe Klerus ist davon angesteckt.« Bald war Edmund klar, was er tun mußte, wenn er Lauds Billigung erreichen wollte.
Der erste Schritt war, die Kirchspielversammlung zu überzeugen. Darin sah er keine allzu große Schwierigkeit. Sir Henry und Julius gehörten ihr nun beide an und leiteten das Kirchspiel in vollkommener Harmonie, aber zu seinem Erstaunen schien Julius beunruhigt. »Ist das nicht Papisterei?« fragte er.
»Überhaupt nicht«, versicherte ihm Meredith. »Der König wünscht es, und der König ist kein Papist.«
England war protestantisch, doch was bedeutete das? Auf europäischer Ebene, daß das Inselkönigreich zum protestantischen Lager gehörte, damit es nicht von den katholischen Mächten verschlungen wurde. Im Lande selbst, daß viele Engländer, vor allem Londoner, Puritaner waren. Aber es blieb die Tatsache, daß die nationale Kirche, wenn auch ein wenig modifiziert durch Königin Elisabeth, in ihren Lehren immer noch diejenige war, die der katholische Renegat Heinrich VIII. errichtet hatte.
Gute Mitglieder der anglikanischen Kirche konnten sagen, sie seien protestantisch, und auch daran glauben; doch die Kirche König Heinrichs und Königin Elisabeths war eine reformierte katholische Kirche. Losgesagt vom Papst, abtrünnig, laut Rom sogar häretisch – aber katholisch.
König Karl I. von England glaubte an den Kompromiß, der unter Königin Elisabeth erarbeitet worden war – daß die englische Staatskirche einen gereinigten Katholizismus darstellte und nun die anglikanischen Bischöfe die wahren Nachfolger der Apostel waren. Das Gesetz besagte, daß jedes Mitglied eines Kirchspiels am Sonntag zur Messe gehen oder Bußgeld zahlen mußte. Nur wenige Kirchspielversammlungen im pragmatischen England erzwangen dies wirklich; in St. Lawrence-Silversleeves verschloß man die Augen. König Karl I. jedoch erwartete Gehorsam, und auch Bischof Laud legte Wert auf Zeremonien.
Eines Sonntags, drei Wochen später, waren Martha und ihr Neffe Gideon überrascht, als sie vom Büttel des Stadtbezirks aufgesucht wurden. Sie hätten morgen in der Kirche zu erscheinen, wurde ihnen mitgeteilt, auf Geheiß Sir Henrys und der Kirchspielversammlung. »Wir bezahlen die Buße«, bot Martha an.
»Bußgelder werden nicht akzeptiert«, erwiderte der Büttel.
Das Kirchspiel St. Lawrence-Silversleeves umfaßte nicht einmal hundert Haushalte, dennoch herrschte in der kleinen Kirche am nächsten
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