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London

London

Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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doch Julius erklärte Martha und ihrer Familie insgeheim, es würde genügen, wenn sie einmal im Monat teilnahmen.
    Eine Überraschung war es, als Edmund im Alter von fast sechzig Jahren Matilda heiratete, eine respektable, dreißigjährige Jungfer, Tochter eines Rechtsanwalts, die sich – selbst religiös – in seine Predigten verliebt hatte. Ein Jahr später bekamen sie ein Kind.
    König Karls Herrschaft brachte den Duckets materiellen Gewinn ein. Sie hatten dem König mehrmals persönliche Anleihen zu zehn Prozent gewährt, die stets zurückgezahlt wurden. Noch besser, Karl I. verpachtete die Abgaben. Für eine pauschale Summe hatte Henry das Recht erworben, die Steuern für mehrere Luxusgüter einzutreiben. »Wir machen sechsundzwanzig Prozent Profit«, prahlte er vor Julius. »Anstatt die Parlamentssteuern zu bezahlen, machen wir Profite, indem wir Geld beschaffen.«
    Tatsächlich hatte dieses System nur eine Schwäche; es funktionierte nur, solange kein nationaler Notstand eintrat. Bei einem bewaffneten Konflikt würde der König Steuern fordern. »Und das würde heißen, ein Parlament einzuberufen«, sorgte sich Henry manchmal. »Was können wir tun, damit es nie dazu kommt?«
    Dieses Problem löste Julius Ducket. Er stand auf der London Bridge. Es war ein Sommerabend, und als er stromaufwärts auf die sinkende Sonne über Westminster blickte, fiel ihm auf, daß die Strahlen die gesamte Wasseroberfläche glitzern ließen, wie einen riesigen Strom aus Gold. Gerade als er dachte, wie sehr das zu einer so geschäftigen Handelsstadt paßte, kam ihm die Idee.
    Natürlich: ein Strom aus Gold. Wenn man den Finanzbedarf des Königs im Laufe der letzten zwölf Jahre betrachtete, fiel zuerst die Höhe auf. Einhundert- oder zweihunderttausend Pfund – solche Summen konnten einen Zusammenstoß mit dem Parlament auslösen. Aber waren sie wirklich so riesig für das mächtige, handeltreibende London? Eigentlich nicht. Zusammengenommen belief sich das verfügbare Vermögen der Stadt auf zahllose Millionen. Selbst des Königs Bedarf im Notfall konnte von London leicht aufgebracht werden ohne Rückgriff auf das Parlament. London war ein Strom aus Gold. Doch warum war London so zögerlich, Anleihen zu geben? Es war nicht so, daß der König keine Zinsen zahlte. Das wahre Problem lag in der Art der Anleihen und ihrer Rückzahlung.
    Anleihen an die Krone waren fast immer für ein bestimmtes Projekt, das den Londonern nicht immer gefiel. Zudem waren die Anleihen normalerweise kurzfristig und mußten innerhalb eines halben Jahres aus den Kroneinnahmen zurückgezahlt werden – die Zinsen konnten also nie sehr hoch werden. Aber warum sollte man das so machen? Geld war Geld; ob man es in eine Anleihe an den König oder in einen Anteil an einer der großen Aktiengesellschaften investierte, war dasselbe. Ihm kam ein weiterer Gedanke: Wenn ich Anteile einer Kapitalgesellschaft kaufen kann, verspricht mir das ein regelmäßiges Einkommen, warum dann nicht auf ähnliche Art Anteile an den Schulden des Königs kaufen? Wenn man sein Geld zurückwill, könnte man die Anteile an einen anderen verkaufen, der dann künftig die Zinsen bekäme. Es gab keinen Grund, warum der König das Kapital vor einem Zeitraum von etwa zwanzig Jahren zurückzahlen sollte, solange er die Zinszahlungen leisten konnte. Der Fluß des Geldes, wie ein goldener Strom durch die Stadt. Julius Ducket hatte soeben die Staatsschulden erfunden.
    Es war ein strahlender Tag, als Sir Henry Ducket seinen Bruder zum König mitnahm. »Du mußt der Familie Ehre machen, wenn du dem König vorgestellt wirst«, hatte Henry gemahnt. Daher prangte Julius nun statt seiner üblichen eher einfachen Kleidung in einem hellroten Rock mit roter Taille und einem Umhang. Anstelle einer einfachen Halskrause trug er einen riesigen weichen Spitzenkragen, der bis über die Schultern hing; seine weichen Lederstiefel hatten Stulpen am Knie, und an seinem Hut mit riesiger Krempe steckte eine große, gebogene Straußenfeder. »Kavalierstil« wurde diese Mode in England genannt, und als zwei Kavaliere fuhren die Duckets die Themse hinunter nach Greenwich.
    »Du hast nichts zu fürchten«, beruhigte Henry ihn, als sie um den alten Palast am Ufer gingen, aber Julius konnte nicht umhin zu stöhnen: »O Bruder, ich bin so ein einfacher Kerl.«
    Kein englischer Hof, nicht einmal unter König Heinrich, hatte je eine solche Schar von großen Künstlern angezogen. Die Hofmasken waren Meisterwerke. Große

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