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London

London

Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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europäische Künstler wie Rubens und van Dyck kamen und beschlossen zu bleiben. Trotz seiner bescheidenen Mittel sammelte der König Gemälde – Tizian, Raffael, die flämischen Meister. Der Hof war kosmopolitisch. Als sie den Grashang hinter dem Palast hinaufschritten und sich umdrehten, lag vor Julius ein so schöner Anblick, daß er nur hervorstoßen konnte: »Lieber Gott, war jemals etwas vollkommener?«
    Das Queen's House in Greenwich war gerade fertiggestellt worden. Da es von den Tudorgebäuden vom Fluß abgeschirmt wurde, hatte Julius es zuvor kaum bemerkt. Sein Architekt, der große Inigo Jones, hatte bereits ein anderes klassisches Meisterwerk vollendet, das Banqueting House in Whitehall, dessen Decke in diesem Jahr von Rubens bemalt worden war.
    Das Queen's House war vollkommen. Es stand allein am äußeren Wall des alten Palastgartens und blickte auf den Park. Diese leuchtendweiße Villa im italienischen Stil, nur zwei Stockwerke hoch, mit drei übereinanderliegenden Fensterpaaren in der Mitte und zwei an jeder Seite, bot einen klassisch perfekten Anblick.
    König Karl I. kam auf sie zu. Gekleidet in einen Rock aus gelber Seide, trug er ebenfalls einen breitkrempigen Hut, den er in Antwort auf ihre hastigen Verbeugungen höflich lüftete. Er wurde von einer Gruppe Gentlemen und einigen Ladys in langen schweren Seidenkleidern begleitet. Er ging graziös, einen Stock mit goldenem Knauf in der Hand. Doch als er sie erreicht hatte, stellte Julius fest, daß er klein war; er reichte Julius kaum bis zur Schulter. Dennoch war er die aristokratischste Persönlichkeit, der Julius je in seinem Leben begegnet war. »Wir wollen hier sprechen«, meinte er freundlich und führte die beiden Männer zu einem Rasenhügel, wo eine Eiche Schatten bot und er höflich stehenblieb, um sie anzuhören.
    Zuerst verhaspelte sich Julius ein wenig, als er seine Idee für die königlichen Anleihen erläuterte. Doch allmählich gewann er mit Hilfe des Königs Selbstvertrauen. Wenn es Julius aus Nervosität nicht gelang, einen Punkt klar darzustellen, bat König Karl I. liebenswürdig: »Vergebt mir, Master Ducket, ich habe nicht ganz verstanden…« Dieser kleine, höfliche, fast schüchterne Mann hatte etwas fast Magisches an sich, das ihn von allen anderen abhob – den königlichen Charme der Stuarts. Als Julius schließlich geendet hatte, ertappte er sich bei dem Gedanken: Dieser Mann ist wirklich nicht wie andere Menschen; er ist von Gott mit Königswürde ausgezeichnet. Selbst wenn er unrecht hätte, er ist unbestreitbar mein gesalbter König, und ich werde ihm folgen.
    König Karl I. der aufmerksam bis zum Ende zugehört hatte, stimmte zu, daß er gute Beziehungen zur Stadt aufrechterhalten sollte, und diese neue Art, die Londoner zu Anleihen zu bewegen, machte ihn neugierig. »Es wird weiter darüber gesprochen werden«, versprach er Julius. »Wir fürchten Uns nicht vor Neuerungen. Obwohl Wir natürlich auch bedenken müssen, was bereits innerhalb Unserer Hoheitsrechte liegt.« Beide Brüder hatten das Gefühl, es sei ein sehr zufriedenstellender Tag gewesen.
    Daher war Julius ein wenig überrascht, als er im Herbst, ohne noch einmal etwas über seine Vorschläge gehört zu haben, erfuhr, daß der König von London und von den größeren Häfen Schiffsgeld verlangte. Dieser Beitrag der Küstenstädte zu den Kosten der Flotte war eine alte und legale Steuer, aber unpopulär. Vor Weihnachten erhob König Karl I. sie auch von allen Inlandsstädten. »Das ist unerhört«, bemerkte Henry. »Auch wenn der König behauptet, das liege innerhalb seines Hoheitsrechts.« Anfang 1635 belangte König Karl I. durch den königlichen Gerichtshof der Sternkammer die Stadt London wegen Mißwirtschaft in ihrer Ansiedlung in Ulster. »Er hat alles konfisziert und der Stadt siebzigtausend Pfund Bußgeld auferlegt. Das ist auch eine Art, Geld aufzubringen«, stellte Henry bitter fest. Ein paar Wochen später fragten die beiden Beauftragten des Königs, wieviel die Stadt bezahlen würde, um sich eine Begnadigung zu sichern. Die Stadt tobte vor Wut. »Es ist auf jeden Fall raffiniert«, meinte Henry. »Der König bewegt sich immer innerhalb seiner Hoheitsrechte.«
    Aber Julius blieb es ein Rätsel. Wie war es möglich, daß dieser sanfte König, nachdem er seinen Vorschlag angehört und zugestimmt hatte, daß es wichtig sei, Londons Wohlwollen zu erhalten, so etwas tat? Die Hälfte der Kaufleute in der Stadt schwor nun, daß sie ihm nie wieder

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