London
Familie war so groß, daß sie nach einem Namen suchten, der ihre Dankbarkeit gegenüber dem Herrn ausdrücken sollte. Martha fand schließlich eine verblüffende Lösung. Eines Wintermorgens hielt Meredith das Kind über das Taufbecken und verkündete: »Ich taufe dich auf den Namen O Be Joyful.«
Statt eines Namens wählten die Puritaner manchmal einen ganzen Satz aus ihrer geliebten Bibel; ein deutlicher Ausdruck der Treue zum Puritanertum. Und so wurde Gideons Sohn für die Welt O Be Joyful. Gideons Frau konnte sich nun entspannen. Die ersten vier Jahre im Leben des Säuglings waren bei weitem die gefährlichsten, und sie wußte sehr gut, daß zumindest ein paar Jahre lang nicht einmal Martha davon reden würde, O Be Joyful den Gefahren einer langen Seereise auszusetzen. Gideons Frau wurde ganz gesund.
Es war eine große Überraschung für die Familie, als Martha im Sommer 1637 eine kriminelle Handlung beging.
Master William Prynne, ein Gentleman und Gelehrter, war ein streitbarer Mann. Vor drei Jahren hatte er ein Pamphlet gegen das Theater geschrieben, das König Karl I. als Beleidigung seiner Frau auffaßte, die damals in einigen Hoftheaterstücken mitspielte. Prynne wurde verurteilt: Am Pranger spaltete man ihm die Nase und schnitt ihm die Ohren ab.
1637 geriet Prynne erneut in Schwierigkeiten, diesmal, weil er gegen die Entweihung des Sonntags durch Sportveranstaltungen schrieb und darauf drängte, die Bischöfe abzuschaffen. »Er soll wieder an den Pranger«, erklärte das Gericht des Königs, »und dann wird er auf immer ins Gefängnis geworfen.«
»Ist denn jetzt alle freie Rede verboten?« fragten die Londoner. Am 30. Juni war der Tag der Bestrafung, ein sonniger Sommertag. Prynnes hochgewachsene Gestalt, bereits schrecklich entstellt, obwohl er offensichtlich einmal ein gutaussehender Mann gewesen war, stand stolz und ungebeugt auf dem Karren, auf dem man ihn nach Cheapside zog. Eine riesige Menge jubelte ihm zu und warf Blumen auf seinen Karren. Und als der abscheuliche Urteilsspruch ausgeführt wurde, erhob sich Wutgeschrei. Martha kehrte zitternd zurück.
Aber erst als Meredith am nächsten Sonntag in seiner Predigt von der Schlechtigkeit solcher Leute wie Prynne sprach, die Gottes Bischöfe ablehnten, konnte Martha nicht mehr an sich halten. Sie stand auf und erklärte ruhig und mit fester Stimme: »Dies ist kein Haus Gottes.« Als Dogget sie am Ärmel zog, fuhr sie fort: »Ich muß es aussprechen.« Und das tat sie. Ihre kurze Rede in St. Lawrence-Silversleeves blieb noch Jahre in Erinnerung, obwohl es keine Minute gedauert haben konnte, bis der Büttel sie davonzerrte. Es ging um Papisterei, Sakrileg, um das wahre Reich Gottes. Sie sprach in einfachen Worten, die jeder Protestant der Gemeinde verstand. Es war vor allem ein Satz, an den man sich erinnerte: »In diesem Land gibt es zwei große Übel«, sagte sie. »Das eine nennt man Bischof, das andere König.«
Es bedurfte aller Überredungskunst von Julius, sie zu retten. Der Bischof von London wollte sie in den Kerker werfen, doch Julius konnte nie seine Schuld gegenüber Gideon vergessen, und so erklärte er ihr an dem Donnerstag nach ihrem Ausbruch: »Ihr müßt das Land verlassen.«
»Dann gehe ich nach Massachusetts«, erwiderte sie. Und so schickten sich Martha, ihre junge Tochter und Doggets beide Söhne im Sommer 1637 an, aus London fortzugehen. Gideon und seine Familie konnten noch nicht reisen, und da Gideon Doggets Hilfe in der Werkstatt brauchte, kam man überein, daß auch er noch für ein oder zwei Jahre bleiben sollte.
Es war eine sehr gemischte Gruppe, die sich in Wapping versammelte, um an Bord zu gehen. Eine Reihe von Handwerkern, ein Anwalt, ein Prediger, zwei Fischer, aber auch ein junger Absolvent aus Cambridge, der vor kurzem geerbt hatte. Sein Name war John Harvard.
Marthas letzte Worte, bevor das Schiff auslief, waren an Mrs. Wheeler gerichtet. »Versprecht mir, daß Ihr ein Auge auf meinen Mann haben werdet.« Und Mrs. Wheeler versprach es.
Viele Schiffen kamen im Herbst 1637 an der Küste von Massachusetts an, auf einem davon Martha und John Harvard.
Kaum jemand beachtete den langsamen alten Kahn, der sich mit einer Ladung Melasse durch die Karibik gepflügt hatte. Selbst der Beamte, der seine Ankunft in Plymouth notierte, hätte seine Existenz wohl vergessen, wenn der Kapitän des Schiffes nicht bei seinem kurzen Zwischenaufenthalt im Hafen gestorben wäre. Das prägte sich ein, denn obwohl das Haar des
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