Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
London

London

Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
Vom Netzwerk:
Parlamentsmitglieder auf, sich ihm anzuschließen. Aber die östlichen und südlichen Häfen sind uns alle verschlossen. Auch die Flotte scheint nicht mehr loyal zu sein.«
    »Das Parlament hat um freiwillige Beiträge gebeten«, mußte Julius ihm sagen. »Es ist so viel Silberzeug gespendet worden, daß sie kaum wissen, was sie damit tun sollen.«
    Im Sommer verfaßten einige der Unterstützer des Königs vernünftige Flugschriften, die eine Tür zum Ausgleich zu öffnen schienen. Doch im August wurde der Mayor abgesetzt und der Puritaner Pennington an seiner Stelle gewählt. Als Julius in der Watling Street eines Tages Gideon traf, erklärte der solide Handwerker ihm fröhlich: »Wir sind jetzt alle Rundköpfe.« Eine Woche später kam die Nachricht, daß der König seine Standarte in Nottingham aufgepflanzt hatte. Das war die traditionelle ritterliche Art eines Königs, den Krieg zu erklären.
    Im September kam Henry noch einmal, diesmal mit einem Brustharnisch über dem Rock. Nach einem kurzen Besuch in seinem eigenen Haus in Covent Garden sprach er lange mit Julius. »Der Norden und der größte Teil des Westens sind königstreu«, erklärte er seinem Bruder. »Mehrere große Lords haben Truppen versprochen. König Karl hat seinen Neffen Rupert von der Pfalz herbeordert. Die ausgehobenen Truppen des Parlaments sind nicht ausgebildet. Gegen Rupert werden sie keine fünf Minuten standhalten.« Henry lächelte. »Wir werden wieder Ordnung schaffen.«
    Kurz nach Morgengrauen brach Henry auf. Eingenäht in seine Kleidung und sein Gepäck nahm er die stolze Summe von dreitausend Pfund im Wert von Gold- und Silbermünzen mit. Als Julius angesichts dieser Summe ein bedenkliches Gesicht zog, erklärte Henry: »Wir sind Gentlemen, Bruder, und dem König treu.«
    Am nächsten Tag wurden auf Befehl des Mayors und des Stadtrats alle Theater in London geschlossen. Truppen marschierten aus der Stadt hinaus, die Verteidigungen um das Tor wurden verstärkt. Anfang Oktober wartete jedermann ängstlich auf die Nachricht von einer Schlacht.
    Am letzten Sonntag im Oktober geschah in St. LawrenceSilversleeves etwas Außergewöhnliches. In dieser Woche hatte im West Country eine Art Schlacht stattgefunden, die aber nicht zu einer Entscheidung geführt hatte. Die ausgebildeten Truppenmitglieder waren vereinzelt wieder zurück in die Stadt gekommen, um sich neu zu formieren. König Karl I. und Prinz Rupert rückten äußerst behutsam vor.
    Julius und seine Familie waren an diesem Morgen im letzten Moment in die Kirche gekommen, weil eines der Kinder krank war. Er bemerkte, daß die kleine Kirche ungewöhnlich voll war, und der Altar stand am falschen Platz. Er war zurück ins Hauptschiff gestellt worden.
    Meredith traf ein. Er trug nicht seinen üblichen goldschimmernden Chormantel, sondern einen langen schwarzen Talar und darunter ein einfaches weißes Hemd. Er setzte sich nicht wie sonst auf seinen Platz im Altarraum, sondern stieg auf die Kanzel und begann den Gottesdienst. Es war nicht die gewohnte Liturgie, es war ein ganz anderer Text. Julius kannte das gesamte Gebetbuch auswendig. Was zum Teufel rezitierte Meredith da? Plötzlich wurde es Julius klar. Es war die Gottesdienstordnung der Presbyterianer. Calvinismus – hier in seiner eigenen Kirche! Julius blickte zu seiner Frau, die empört wirkte. Er stand auf. »Hört sofort auf damit!« Seine Stimme hallte deutlich in der Kirche wider. »Mr. Meredith, ich glaube, Ihr lest hier eine falsche Messe. Als Oberhaupt der Kirchspielversammlung muß ich darauf bestehen…« Er wurde unterbrochen, als sich die Tür der Kirche öffnete. Gideon Carpenter, in der Uniform eines Offiziers, den Degen umgeschnallt, kam herein, gefolgt von sechs bewaffneten Männern. Julius öffnete den Mund, um auch sie zurechtzuweisen, doch Gideon kam ihm zuvor. »Ihr seid nicht länger in der Kirchspielversammlung, Sir Julius.«
    Was meinte der Mann? Und warum nannte Gideon ihn »Sir Julius«?
    »Habt Ihr es noch nicht gewußt? Das tut mir leid. Euer Bruder ist tot. Ihr seid nun Sir Julius Ducket. Und Ihr seid verhaftet.«
1649
    29. Januar, abends: Seit fünf Uhr nachmittags war es dunkel. Eine lange, sternenklare Nacht stand bevor, in der viele feierlich Wacht hielten. Im grauen Morgenlicht würde in Whitehall etwas stattfinden, was in England nie zuvor geschehen war.
    Edmund Meredith saß allein. Seine Frau und seine Kinder waren oben, aber noch nicht im Bett. Auf dem Tisch neben ihm lag ein steifer

Weitere Kostenlose Bücher