London
Julius nicht beunruhigt. Seit Jahrhunderten hatte es immer wieder Widerstand der Parlamente gegen den König gegeben. Die Lage war schlecht, aber nicht hoffnungslos. Die Besorgnis, die er verspürte, wurde nicht vom Parlament verursacht, sondern von seinem eigenen Kirchspiel St. Lawrence-Silversleeves. Es geschah, kurz nachdem das Parlament zu tagen begonnen hatte. William Prynne war gerade aus dem Gefängnis entlassen worden, und eine riesige Menge hatte ihn im Triumphzug durch die Straßen geführt. Die Rufe hallten noch in Julius' Ohren wider, als man ihm sagte, Gideon Carpenter sei an der Tür. Gideon zeigte ihm eine lange Schriftrolle und fragte ihn: »Wollt Ihr unterzeichnen? Es ist eine Petition; wir haben schon fast fünfzehntausend Unterschriften für die völlige Abschaffung der Bischofskirche, ›mit Stumpf und Stiel‹.«
Julius hatte von dieser sogenannten Root and Branch Petition gehört. Initiiert von Pennington, einem energischen Puritaner im Gemeinsamen Rat, und unterstützt von den Gesandten der schottischen Presbyterianer, die vor kurzem in London angekommen waren, hatte viele, die Laud und seine Kirche haßten, unterzeichnet. Julius konnte sich nicht vorstellen, daß König Karl I. überhaupt geruhen würde, einen Blick auf ein solches Dokument zu werfen. »Warum bringt Ihr das mir?« fragte er. »Als Ihr mich habt auspeitschen lassen«, erwiderte Gideon, »habt Ihr mir keine Chance gegeben. Aber ich gebe Euch eine.«
Wovon redete Gideon da? »Bringt es woandershin«, antwortete Julius kurz angebunden. Ihm eine Chance geben – welch seltsame Formulierung. Bald sollte er eine weitere kennenlernen.
Das Parlament erhob nun ein Impeachment gegen Strafford, doch die rechtliche Begründung dieser Anklage war nicht ganz klar. »Wir beschuldigen ihn verschiedenster Verbrechen, der König muß sein Todesurteil unterzeichnen.«
»Wir leihen kein Geld, ehe nicht sein Kopf ab ist«, fügte die Stadt London hinzu.
König Karl widersetzte sich. Eines Apriltages, als eine große Menge sich versammelt hatte, um in Westminster ihre Meinung zum Ausdruck zu bringen, traf Julius zufällig Gideon und meinte zu ihm, gleichgültig, was man von Strafford halte, es sei wohl kaum möglich, daß die Sache bis zur Exekution gehen werde. Der König werde es einfach nicht zulassen.
»Welcher König?« lächelte Gideon.
»Welcher König? Es gibt nur einen König, Gideon.«
Doch dieser schüttelte den Kopf. »Es gibt jetzt zwei Könige«, erklärte er. »König Karl in seinem Palast, und König Pym im House of Commons. Und ich glaube, König Pym wird es so haben wollen.«
König Pym? Der Anführer des Parlaments. Julius hatte diesen Ausdruck noch nie zuvor gehört. »Ihr solltet vorsichtiger sein, was Ihr sagt«, warnte er. Doch gleich am nächsten Tag kam er an einer großen gedruckten Flugschrift vorbei, die an der Kreuzung von Cheapside hing und deren Überschrift in kühnen Lettern verkündete: »König Pym sagt…« Nach einer Woche hatte er es dutzendemal gehört. Und nach einem Monat, drangsaliert vom Parlament und ohne jegliche Mittel, war König Karl I. gezwungen nachzugeben. Strafford wurde auf dem Tower Hill hingerichtet.
Doch es gab noch ein drittes schreckliches Wort, das Julius lernen mußte. Den Sommer über veränderte sich wenig. König Pym thronte sicher in seinem Parlament. König Karl I. unternahm eine zwecklose Reise nach Norden, um einen Handel mit den Schotten zu schließen, aber die Presbyterianer rührten sich nicht von der Stelle. Julius und seine kleine Familie gingen im Sommer zu Henry nach Bocton und brachten ein paar Familien mit Kindern aus dem Kirchspiel mit – darunter Gideons Frau und Kinder –, die beim Hopfenzupfen halfen. Sobald sie wieder in London waren, traf die Nachricht von Unruhen in Irland ein. Menschen waren umgebracht, Besitz niedergebrannt worden. König Pym und König Karl stimmten überein, daß man Truppen senden müsse, um die aufsässige Provinz zu unterwerfen. Aber damit endete die Übereinstimmung. »Ich werde die Truppen befehligen«, erklärte König Karl I. »Unter keinen Umständen«, antwortete das Parlament, »werden wir für Truppen bezahlen, die der König dann gegen uns einsetzen wird.«
»Es genügt nicht, die Macht des Königs einzuschränken«, argumentierte das Parlament weiter, »wir müssen ihn kontrollieren.« Jede Woche wurde ein neuer und noch radikalerer Vorschlag erhoben. »Die Armee muß sich dem Parlament allein verantworten«, erklärte
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