London
zu seiner Linken erschallte ein abfälliges Grummeln, woraus er schloß, daß ein Tier über einen Menschen die Oberhand gewann. Julius blickte auf die breite Straße Richtung Forum. Wenn Martina jetzt auftauchte, würde sie sich ihm heute nachmittag hingeben, dessen war er sich sicher. Er zitterte vor Erregung. Und dennoch war ein Teil in ihm sehr nervös, ja hoffte fast, daß sie nicht kommen würde.
Mehrere Minuten waren verstrichen, da erregte etwas neben dem Kai zu seiner Rechten seine Aufmerksamkeit. Es waren Soldaten mit einem Esel, der einen kleinen Karren zog. Er war wohl sehr schwer beladen, denn der Esel rutschte einmal aus und hielt an. Es waren drei Männer. Einer führte das Tier, die anderen zwei gingen hinter dem Karren her. Da Julius hinter dem Holzpfeiler stand, konnten sie ihn nicht sehen, doch als sie näherkamen, konnte er ihre Gesichter unter den Helmen erkennen. Eines davon kam ihm sehr bekannt vor. Der Mann, der den Esel führte, war sein neuer Bekannter, der Zenturio.
Warum, fragte sich Julius, geleitete der Zenturio gerade während der Spiele einen Eselkarren durch die Straßen?
Die Ladung war mit einer Leinwand zugedeckt. Eine Ecke hatte sich jedoch gelockert, und Julius sah den Hals einer Weinamphore herausragen. Offensichtlich brachten die Soldaten Proviant vom offiziellen Lager zum Fort. Doch als der Karren in die Gasse hineinfuhr, holperte er mit einem Rad über einen Buckel, und ein kleiner Gegenstand fiel auf den Boden. Einer der Soldaten beeilte sich, ihn aufzuheben und zurück unter die Abdeckung zu legen, doch Julius fielen zwei Sachen auf. Das Ding glitzerte in der Sonne, und der Zenturio blickte sich rasch nach allen Seiten um, als ob er sichergehen wollte, daß niemand sie gesehen hatte. Auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck von Angst und Schuld. Das Ding, das da von dem Karren heruntergefallen war, war eine Goldmünze.
Gold. Dort auf diesem Karren lagen wahrscheinlich Säcke voll Gold. Kein Wunder, daß der Esel strauchelte. Doch warum transportierten die Soldaten heimlich Gold? Erst wollte Julius keine Erklärung für diese sonderbare Tatsache einfallen, schließlich kam er auf die wahrscheinlichste: Sie hatten das Gold gestohlen.
Die Gedanken in Julius' Kopf überschlugen sich. Leise trat er von der Brücke herunter und in die Gasse hinein. Vorsichtig Abstand haltend, verfolgte er den Karren bei seiner Zickzacktour, wobei er sich immer wieder in dunkle Ecken drückte. Es war keine Frage: Die Soldaten wollten auf keinen Fall gesehen werden.
Mehrmals zögerte er. Wenn die Soldaten Gold stahlen und ihn dabei ertappten, wie er sie verfolgte, dann stand außer Zweifel, was sie mit ihm anstellen würden. Doch er hatte sich schon einen Plan zurechtgelegt. Die Männer wollten das Gold sicher irgendwo verstecken. Wenn er das Versteck herausfinden würde, könnte er ihm einen Besuch abstatten. Einer dieser Säcke würde Sextus den Verlust der Tasche vergessen lassen. Und mit all dem Geld konnte er auch Martina kaufen, was immer sie sich wünschte.
Die Soldaten gingen am östlichen Hügel zum Forum hinauf. Hier stießen sie auf die obere der beiden großen quer durch die Stadt führenden Durchgangsstraßen. Sie wandten sich nach links und nahmen eine kleinere Gasse, die parallel zu der großen Straße verlief. Julius bog in die große Straße ein, in der Absicht, den Weg des Karrens bei der nächsten Seitenstraße zu überprüfen. In der Senke zwischen den beiden Hügeln sah er den Karren wieder; er überquerte vor ihm die Hauptstraße und fuhr dann den Hang auf der anderen Seite hinauf. Die Soldaten hatten einen Vorsprung von etwa einer Viertelmeile. Plötzlich bogen sie in eine kleine Gasse ein und verschwanden. Julius eilte ihnen nach, er wollte sie nicht aus den Augen verlieren. Fast war er schon bei der kleinen Gasse angelangt, da blickte er den Hügel hinauf und sah Martina, die ihm auf der Straße entgegenkam.
Julius blieb stehen und starrte sie an. Also war sie doch noch zu ihrer Verabredung unterwegs. Sein Herz machte einen Sprung. Sie will mich, dachte er. Vielleicht liebt sie mich sogar. Eine Welle der Freude und Erregung durchflutete ihn. Am liebsten wäre er ihr entgegengerannt. Doch dann würde er wertvolle Zeit verlieren. Jede Sekunde konnte der Karren im Labyrinth der Gassen verschwunden sein. Und dann war das Gold verloren.
»Das Mädchen wird warten, das Gold nicht«, murmelte er und duckte sich in einen Hauseingang.
Behutsam schlich er eine Gasse nach der
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