London
flitzte er hinaus aus dem Palast, und gleich darauf war er schon unterwegs zur Brücke, um dort mit seinem Geschenk auf Martina zu warten. Ob sie wohl kommen würde?
Sextus ging die breite Straße hinab, die vom Forum zur Brücke führte. Er verzog mißmutig das Gesicht, denn er hatte Julius nicht im Amphitheater gesehen. Ging sein Freund ihm etwa aus dem Weg? Eigentlich wäre ihm dieser Gedanke gar nicht gekommen, wenn er nicht am vergangenen Nachmittag zufällig eine Bemerkung der Soldaten mitbekommen hätte. Nachdem die Soldaten ins Haus eingedrungen waren, waren sie auch in den Hinterhof gestürmt und hatten Julius auf der Flucht entdeckt, hatten ihn aber offenbar nicht genau erkannt. Ein paar Minuten später hörte Sextus, wie sich zwei Soldaten unterhielten, als sie sein Bett im Nebenraum untersuchten. »Hier ist nichts«, hatte der eine gegrunzt. »Ich glaube, da wollte jemand diesem Burschen hier eins auswischen und hat deshalb den Brief geschrieben.«
»Aber was ist mit dem Jüngeren? War das der, der weggerannt ist?«
»Vielleicht, vielleicht auch nicht. Jung ist er jedenfalls, aber er kommt aus einer ehrbaren Familie. Wenn hier irgendwer Geld fälscht, dann ist es dieser Zimmerer.«
Der Jüngere. Ehrbare Familie. Hatte Julius sie in diese Schwierigkeiten gebracht? Sextus fluchte. Wenn sie Julius erwischten, dann würde er sicher reden. Und dann wäre Sextus dran.
Am gestrigen Abend hatte er es nicht gewagt, Julius zu besuchen, doch er hatte erwartet, ihn an diesem Morgen im Amphitheater zu sehen. Da er nicht aufgetaucht war, begann Sextus, sich ernstlich Sorgen zu machen. Hatten ihn die Soldaten doch noch erwischt? Schließlich schlich er doch zu Julius' Haus, aber dort war niemand. Was hatte dies zu bedeuten? Nun wollte er als letzte Möglichkeit den Hafen absuchen.
Plötzlich sah er Julius vor sich auf dem Weg zur Brücke. Sextus begann zu rennen. Julius war so vertieft in seine Gedanken, daß er Sextus erst bemerkte, als dieser direkt hinter ihm stand. Er drehte sich um, und sein Gesicht verdunkelte sich.
Sofort war Sextus alarmiert. »Ist alles in Ordnung?« fragte er. Julius zögerte, bevor er ihm wahrheitsgemäß alles erzählte, was passiert war.
Sextus glaubte ihm kein Wort. Er bildete sich viel darauf ein, kein Dummkopf zu sein. Diese Geschichte war äußerst unwahrscheinlich, wohingegen andere Dinge sehr klar waren. Der junge Mann ging ihm tatsächlich aus dem Weg, und das Geld war weg. Dafür konnte es nur zwei Erklärungen geben. Entweder hatte Julius es gestohlen, oder er hatte seinen Freund verraten, und in diesem Fall hatten die Behörden wahrscheinlich die Tasche mit den Gußformen und würden sie vor Gericht als Beweismittel gegen ihn anführen. Und zweifellos würde Julius ungeschoren davonkommen, wenn er gegen ihn aussagte. Als Julius mit seiner Geschichte fertig war, versuchte es Sextus mit einem Frontalangriff. »Hast du geredet?« fragte er direkt. »Den Soldaten alles erzählt?«
»Nein. Natürlich nicht.«
Sextus zog ein Messer aus seinem Gürtel und hielt es Julius unter die Nase.
»Wenn du das Geld nicht bis Sonnenuntergang findest, dann bringe ich dich um«, sagte er ruhig.
Kurz vor Mittag standen der Gladiator und der Bär auf dem Programm. Der Gladiator war sehr geschickt mit dem Netz. Die Wetten standen zwei zu eins, daß er den Bären töten würde. Zuerst wurde der Bär durch die Arena geführt. Die Menge war gut gelaunt. Spannung und Erregung würden erst steigen, wenn Blut floß.
Martina stand rasch auf. Auf der anderen Seite der Arena sah sie die wichtigen Männer der Stadt in ihren Togen und die Frauen in ihren langen kostbaren Seidenkleidern in der Loge des Statthalters und den angrenzenden Rängen sitzen. Sie ging zurück zur Treppe. Ein kleiner Schauder der Vorfreude durchrieselte sie. Die dort mögen auf den besten Plätzen sitzen, aber keiner wird das kriegen, was ich heute nachmittag kriegen werde, dachte sie. Auf ihrem Weg zum Forum sah sie nicht, daß hinter ihr der Kapitän leise aus einer Tür heraustrat und ihr folgte.
Julius stand neben einem der großen Holzpfeiler am Nordende der Brücke. Es war fast Mittag. Das Gespräch mit Sextus beunruhigte ihn ziemlich. Wie sollte er nur die Tasche wiederfinden? Vielleicht würde seine Mutter nachgeben, wenn er ihr von der Drohung erzählte, aber sicher war er sich da nicht. Jedenfalls war es sinnlos, sich jetzt darüber den Kopf zu zerbrechen. Nun standen andere Dinge an.
Aus dem Amphitheater vom Hügel
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