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London

London

Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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anderen entlang, bis er schließlich auf einem schmalen Weg in der Nähe des Dianatempels den kleinen Karren und den Esel wieder entdeckte. Die Soldaten waren nicht zu sehen. Julius blickte sich um, versuchte zu erraten, wohin sie gegangen waren. Hier gab es viele kleine Höfe, Werkstätten und Schuppen. Der Wagen war noch immer mit der Leinwand bedeckt. Hatten sie das Gold bereits abgeladen, oder war dies nur ein vorläufiger Haltepunkt? Julius wollte es unbedingt wissen. Vorsichtig pirschte er sich an den Karren heran, hob die Abdeckung hoch und blickte darunter.
    Der Karren war leer bis auf drei Amphoren und ein paar Leinenfetzen. Er tastete unter dem Stoff herum, bis seine Hand auf etwas Hartes stieß. Er zog daran. Es war schwer. Zufrieden grinsend nahm er auch noch die andere Hand zu Hilfe und zerrte einen Sack voller Münzen hervor. Er war nicht sehr groß, gerade so, daß er ihn mit zwei Händen umfassen konnte, aber selbst dies war ein Vermögen. Ein solcher Sack reichte vollauf. Es war Zeit, sich aus dem Staub zu machen.
    Da ertönte hinter ihm ein Ruf. Er wandte sich halb um. Der Soldat war schon fast neben ihm. Julius ließ den Sack fallen, hechtete zur anderen Seite des Karrens und rannte los. Die Stimme des Zenturios ertönte: »Laßt ihn nicht entkommen!«
    Rein in die Gasse. Nach links. Nach rechts. Wenige Augenblicke später war er schon bei der großen Durchgangsstraße. Er rannte über die Straße, bog in eine kleinere Gasse ein, floh weiter.
    Sie wußten, daß er das Gold gesehen hatte. Er war ein Zeuge. Sie mußten ihn töten. Wohin sollte er gehen? Wo konnte er sich vor ihnen verstecken? Er hörte sie noch immer rufen, sie waren ihm dicht auf den Fersen. Dann fiel ihm etwas ein. Es war seine einzige Hoffnung. Japsend zwang er sich dazu weiterzurennen, während er ihre Schritte noch immer dicht hinter sich hörte.
    Martina stand wütend und enttäuscht an der Brücke. Nun wartete sie schon über eine Stunde. Keine Menschenseele war zu sehen. Er hatte ihr einen Brief geschickt und ein Geschenk versprochen. Sie hatte viel riskiert. Aber vielleicht war Julius ja auch etwas zugestoßen? »Ich verzeihe ihm, wenn er sich ein Bein gebrochen hat«, murmelte sie, »aber auch nur dann!« Da sah sie plötzlich zu ihrer Verwunderung Sextus aus einer Seitenstraße heraustreten und näherkommen.
    Als sie den Mann sah, dem sie um des treulosen Julius willen aus dem Weg gegangen war, kam es ihr nur natürlich vor, ihn mit einem Kuß zu begrüßen, und sie hoffte, Julius würde dies auch sehen, wenn er sich denn irgendwo hier in der Nähe aufhielt. Sicherheitshalber küßte sie Sextus ein weiteres Mal.
    Sextus war leicht überrascht über die plötzliche Zuneigung der jungen Frau, der er nun schon so lange nachgestiegen war. Seine Eitelkeit sagte ihm, daß doch nichts anderes zu erwarten war; seine Erfahrung sagte ihm, daß er lieber nicht nach dem Grund für ihr Verhalten fragen sollte. Er lächelte nur und fragte sie, ob sie denn seinen Freund Julius gesehen habe. Nein, sagte sie, aber vielleicht sei er ja bei den Spielen. »Sollen wir hingehen und ihn suchen?« fragte sie und hakte sich bei ihm ein.
    Sextus hatte mit Julius noch Geschäftliches zu regeln, aber er wollte auch diese unvorhergesehene Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen lassen. Als sie das Amphitheater vor sich liegen sahen, verabredete er mit ihr, sie in dieser Nacht zu besuchen. »Aber jetzt sollten wir besser nicht zusammen beim Betreten des Amphitheaters gesehen werden«, log er schlau. »Also dann, bis heute abend!« Und damit machte er sich davon, um auf Julius zu warten, wobei er sich noch einmal vergewisserte, daß das Messer an seinem Platz war.
    Es war ein warmer Abend, und in der Luft hing eine angenehme Wolke aus Schweiß und Staub, während sich das Amphitheater leerte. Die Menge war höchst zufrieden. Die Menschen hatten gegessen und getrunken, sie hatten Löwen, Stiere, eine Giraffe und alle möglichen anderen wilden Tiere gesehen; sie hatten zugesehen, wie ein Bär einen Mann zerfleischte, und außerdem waren noch zwei weitere Gladiatoren vor ihren Augen gestorben.
    Julius ließ sich von der Menge treiben. Die Menschenmassen hatten ihm wahrscheinlich das Leben gerettet. Er hatte es geschafft, seinen Verfolgern zu entkommen und durch einen engen Durchgang auf die obere Tribüne des Amphitheaters zu schlüpfen. Unten in der Arena kämpften gerade zwei Gladiatoren, und die Leute waren alle aufgestanden, um den Kampf besser zu

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