London
große Verbesserung. Ein anständiges Bett stand darin, ein Schreibtisch, auf dem Boden lag ein Teppich, und es hatte ein schmales Fenster, das auf einen überwucherten kleinen Garten blickte. Jack Meredith fühlte sich gleich wohler. Die Botschaft von Lady St. James war zwar nicht sehr klar, aber ermutigend. Mittags brachte Silversleeves ihm das Essen: Huhn, Gebäck, eine Flasche Claret und außerdem eine Zeitschrift, den Spectator, in dem Meredith nach dem Essen eine Stunde las, bis es an der Tür klopfte und Besuch angekündigt wurde. Obwohl er im Grunde erwartete, Lady St. James zu sehen, war das Gesicht der Besucherin so verdeckt unter einem Hut und einem Seidenschal, daß er nicht sicher war. Erst als die Tür sich hinter ihr schloß, enthüllte sie ihr Gesicht, und Meredith erschrak.
Lady St. James hatte ihrem Aussehen große Sorgfalt gewidmet. Ihre Zofe hatte die Wange, auf die ihr Mann ihr die Ohrfeige gegeben hatte, mit einem nassen Tuch geschlagen, so daß nun eine Gesichtsseite schrecklich angeschwollen war. Außerdem hatte Ihre Ladyschaft sich niedergekniet und die andere Gesichtshälfte gegen den Bettpfosten gerammt, so daß sie nun auch ein blaues Auge hatte. An Entschlossenheit mangelte es ihr nicht.
Der Captain sprang auf und betrachtete sie entsetzt. »Wer hat dir das angetan? St. James? Mein Gott! Wie? Warum?«
Sie zuckte die Achseln und gab zu verstehen, daß sie sich setzen mußte.
Dann erzählte sie, wie ihr Mann sie angegriffen hatte, wobei sie kaum lügen mußte.
»Dieser Lump!« rief er. »Das lasse ich nicht länger zu!«
»Du bist im Gefängnis«, erinnerte sie ihn. »Du kannst nichts tun. Aber«, fügte sie leise hinzu, »würdest du mir wirklich helfen, Jack?«
Er spürte eine Welle von Beschützerinstinkt, als er sie ansah.
»Wenn du mich nicht rettest, Jack, bin ich ein Leben lang zu so etwas verdammt. Es gibt vielleicht einen Weg, uns beiden zu helfen. Doch zu einem bestimmten Preis. Und da ich nicht weiß, ob du mich wirklich liebst, weiß ich auch nicht, ob du bereit bist, ihn zu bezahlen.«
»Was?«
Sie seufzte. »Ich kann das nicht allein durchstehen, Jack, und ich will es auch nicht. Wenn ich weiterlebe, dann will ich es nur mit dir.«
Jack Meredith begriff, daß sie ihm einen Handel anbot. Doch sie war eine schöne Frau in Bedrängnis.
»Ich bin für immer dein«, antwortete er. Sie unterbreitete ihm ihren Plan.
Fleming starrte auf den Belag der Fleet Street und schüttelte den Kopf. Das Pflaster hatte er vergessen. Die Straßen von London waren sehr unterschiedlich. Es gab keinen öffentlichen Straßenbau; Anwohner und Geschäftsinhaber waren verantwortlich für den Belag, jeder mußte für den Abschnitt vor seinem Haus bezahlen. Die Wege und Gassen in armen Vierteln sahen wie Müllhalden aus, während die Anwohner der großen Straßen oft auf der besten Bepflasterung bestanden. Fleming hatte gerade erfahren, wieviel er bezahlen mußte.
»Fünfzig Pfund! Das neue Schaufenster wird warten müssen«, seufzte er. »Und außerdem habe ich das Geld nicht.«
»Du mußt zu Lady St. James gehen«, meinte seine Frau. »Sie schuldet dir dreißig Pfund.«
»Das werde ich wohl tun müssen.« Er belästigte eine solch vornehme Lady ungern und hatte Angst, sie zu verärgern.
Gegen vier Uhr kam er an den Hanover Square, schwitzend unter seinem besten braunen Rock und Hut. Beklommen schritt er auf die Eingangstür zu und läutete die Glocke. Ein Diener öffnete, doch bevor Fleming überhaupt fragen konnte, ob ihre Ladyschaft zu Hause sei, beschied ihm der livrierte Bedienstete, zum Hintereingang zu gehen, und schlug ihm die Tür vor der Nase zu.
Dort erklärte man ihm etwas freundlicher, daß Lord und Lady St. James beide nicht zu Hause seien. »Lassen Sie Ihre Rechnung da, und gehen Sie wieder«, riet man ihm.
Deshalb war er jedoch nicht gekommen, und daher kehrte er zurück auf den Platz und stellte sich neben einen Stand, an dem Mietsänften warteten, um Hausnummer siebzehn zu beobachten. Eine halbe Stunde später hielt eine elegante Kutsche mit dem Wappen der de Quettes vor der Tür, und Fleming eilte auf sie zu. Der Pferdeknecht war bereits am Schlag der Kutsche, ließ die Stufen herunter und streckte den Arm aus, um der Insassin herauszuhelfen. Die Dame hatte das Gesicht hinter einem Seidenschal verborgen, doch Fleming war sicher, daß es Lady St. James war. Er vollführte seine schönste Verbeugung.
»Lady St. James? Fleming, der Bäcker.« Die Lady zeigte kein
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