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London

London

Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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abgesagt werden.«
    »Ich wurde in der Öffentlichkeit beleidigt. Ich wäre das Gespött ganz Londons!«
    »Der Ehre kann doch mit einem kleinen Stich Genüge getan werden, nicht wahr?« schlug sie vor. »Ein Tropfen Blut würde genügen?«
    »Vermutlich schon.« Viele Duelle führten nur zu einer kleinen Verwundung, wonach die beiden Sekundantenpaare den Kampf hastig beendeten; nur selten war der Ausgang tödlich.
    »Dann bitte ich Sie«, rief sie, »töten Sie ihn nicht, denn er hat es sicher nicht verdient. Ich schreibe ihm, daß wir uns versöhnt haben und daß er keinen Grund hat, mich auf so närrische Art zu verteidigen.« Sie küßte ihn. »Ich habe Sie nie betrogen, und ich werde es nie tun. Legen Sie sich nun zur Ruhe, während ich meinen Brief schreibe.«
    Kurz darauf trug ein Diener ihre versiegelte Botschaft in die Jermyn Street.
    Meredith brauchte nur fünf Minuten, um den Hyde Park zu erreichen. Seit Jahrhunderten hatte der alte Wildpark gleich westlich von Mayfair den Mönchen von Westminster gehört, bis König Heinrich die Klöster aufgelöst hatte. Die Stuarts hatten den Park der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, und die lange Straße, die ihn umgab, die route de roi, heute Rotten Row, war nun ein eleganter Ort, wo sich Ladys gerne in ihrer Kutsche sehen ließen. Eine weitere reizende Neuerung war hinzugekommen, als man den kleinen Fluß Westbourne zu einem anmutig geschwungenen See aufstaute, den man die Serpentine nannte. In der Morgendämmerung dienten die alten Eichen und stillen Lichtungen einem ganz besonderen Zweck: Hier wurden Duelle ausgetragen.
    Das Gesetz behandelte Duelle milde. Es war keine Rede von Mord, da per definitionem beide Parteien zustimmten. Tötete man seinen Gegner bei einem Duell, riskierte man eine Geldbuße oder vielleicht eine nominelle Gefängnisstrafe von drei Monaten, das war alles.
    Sieben Männer waren anwesend. Die beiden Duellanten, jeder mit zwei Sekundanten, und ein Arzt. Die Kutschen blieben ein wenig entfernt stehen. Die Sekundanten hatten eine schlecht einsehbare Senke gewählt, die zudem von Eichen abgeschirmt wurde. Keine Menschenseele war im Park, nur der Morgenchor der Vögel erfüllte die Luft. Die Sekundanten hatten die Degen bereits überprüft. St. James nahm seinen Umhang ab; darunter trug er ein Leinenhemd mit weiten Ärmeln.
    Als die beiden Männer sich mit gesenkten Degen höflich voreinander verbeugten, berührten die ersten Sonnenstrahlen gerade die Wipfel der Eichen. St. James war ein guter Fechter, aber Meredith war weit besser. Dennoch überraschte es Jack, daß sein Gegner ihn nicht besonders zu bedrängen schien, und er argwöhnte eine List. Daher wartete er vorsichtig fast eine Minute lang, bis er seine Chance sah, und mit einem einzigen raschen Ausfall stieß er seinen Degen St. James direkt ins Herz.
    Die Sekundanten schrien auf; der Arzt eilte herbei. Doch der Earl war tot. »Mein Gott, Sir, war das nötig?« rief der Arzt.
    Meredith zuckte nur die Achseln. Das war seine Abmachung mit Lady St. James gewesen. Und die Nachricht, die er mitten in der Nacht von ihr erhalten hatte, war ein weiterer Grund dafür, daß er seine Meinung nicht änderte, als er seinem Gegner gegenüberstand. »Um Gottes willen, gib acht, Jack«, hatte sie geschrieben. »Er hat vor, dich umzubringen.«
    Spät an diesem Abend, nachdem Jack Meredith seine Kerze ausgeblasen hatte, öffnete sich die Tür zu seinem Zimmer im Clink und eine Gestalt stahl sich leise herein. Er erkannte sie sofort an ihrem Parfüm. Sie trat auf ihn zu und küßte ihn sanft auf die Stirn. »Man darf uns ein Weilchen nicht zusammen sehen«, flüsterte sie, »aber ich habe mich schon für dich eingesetzt. Da es St. James war, der dich gefordert hat, und ich gesagt habe, daß es sein Vorhaben war, dich umzubringen, wird man Nachsicht walten lassen.« Sie ging zum Fenster, wo ein Stuhl stand, und er hörte, wie sie sich auszog. Als sie zu seinem schmalen Bett kam, trug sie nur noch ein kurzes Nachthemd, das aus grobem Material war, was ihn erstaunte. Dann schlief Lady St. James, gekleidet in das Leinenhemd mit den Blutflecken ihres Mannes, mit seinem Mörder und vollendete so ihre Rache.
    Das Unternehmen Kaminkehrer lief sehr gut. Als Partner hatten sie einen geistig etwas beschränkten jungen Mann gefunden, dem sie beibrachten, was er tun sollte. Mit einem von ihnen ging er in ein Haus, schickte den Jungen mit ein paar Worten den Kamin hinauf und ließ ihn dort oben, während er mit dem

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