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London

London

Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Möglichkeit geben, dieses wichtige Ereignis mit einer Feier zu begehen. Sie erinnerte sich an Fleming. Er hatte sie gesehen, als ihr Gesicht so geschwollen und blaugeschlagen gewesen war. Damals war sie darüber erzürnt, aber nun fiel ihr ein, daß er ein nützlicher Zeuge sein könnte. Während sie darüber nachdachte, sah sie genau vor sich, was sie tun würde. Eine kleine Gesellschaft, ein paar Tage nach der Trauung; ein paar Freunde, eine Hochzeitstorte, etwas Besonderes – von Fleming. Und ein Wörtchen zu ein oder zwei Freundinnen: »Ich nehme immer Fleming. Er ist der Beste. Er hat mich einmal gesehen, wissen Sie, nachdem St. James mich… Aber ich glaube, ich kann ihm trauen, daß er den Mund hält.« Ihre Freundinnen würden im Nu in Flemings Laden sein.
    »Ich will eine Torte«, erklärte sie Fleming, »an die man sich erinnern wird. Etwas Ungewöhnliches. Wenn ich zufrieden bin, werde ich mich vielleicht sogar erweichen lassen und Sie empfehlen, womöglich Ihre augenblickliche Rechnung bezahlen. Sagen wir, insgesamt vierzig Pfund?«
    »Das ist sehr großzügig, Eure Ladyschaft«, erwiderte er. »Wir werden sehen, was wir machen können, damit es wirklich eine Überraschung wird.«
    »Und was soll das für eine Art von Torte sein?« fragte Flemings Frau später.
    »Ich habe keine Ahnung«, gestand er düster. »Und ich wette, bezahlen wird sie mich auch nicht.«
    Die Hochzeit von Captain Jack Meredith und Lady St. James fand am folgenden Tag in aller Stille statt. Der ältere Geistliche aus dem Fleet hielt die Trauung ab; Ebenezer Silversleeves, in einem prachtvollen Rock, der einem früheren Insassen gehört hatte, war Brautführer.
    »Und nun, Jack«, erklärte die Braut nach der Zeremonie, »werde ich deine Schulden bezahlen. Dann bist du draußen.«
    Mrs. Meredith war an diesem Tag glücklicher als jemals zuvor, dabei war Jack erst vor ein paar Stunden aus dem Gefängnis gekommen. Sie hatte alles bekommen, was sie wollte; sie hatte nun den Mann, den sie begehrte. In ihrem Zuhause sah sie nur Frieden und Sicherheit. Selbst die kleine Gesellschaft, die sie für den nächsten Tag geplant hatte, schien nicht mehr so wichtig; die Reise nach Europa brauchte vielleicht kein ganzes Jahr zu dauern. Sie konnte Jack in Bocton ganz für sich haben. Mit diesem Gedanken hatte sie sich gerade beschäftigt, während sie sich zum Ausgehen fertigmachte, als plötzlich ein Schrei die Stille des Hauses störte, gefolgt von einem jämmerlichen Heulen.
    Jack ging zur Tür und verschwand im Gang. Eine Minute später kam er grinsend wieder, einen rußschwarzen kleinen Straßenbengel fest am Ohr haltend.
    »Du liebe Güte, Jack«, rief sie, »bring dieses schmutzige Ding nicht hier herein. Warum hältst du es fest?«
    »Weil das ein gefährlicher Verbrecher ist«, erklärte er augenzwinkernd. »Dein Diener hat ihn gerade erwischt, wie er einen Shilling vom Küchentisch gestohlen hat. Er sollte eigentlich den Kamin fegen.«
    »Ich hab nie was geklaut«, rief der Junge.
    »O doch.«
    »Aber vorher nie, Sir. Ehrlich. Tun Sie mir bitte nix.« Der Bengel begann zu weinen, und die Tränen zogen weiße Furchen über sein schwarzes Gesicht. Er war ein mitleiderregender Anblick, wie er zitternd vor Furcht an der Seite des Captains hing. Sogar der arroganten Dame des Hauses tat er ein wenig leid.
    »Wie heißt du, Junge?« fragte sie freundlicher. Keine Antwort. »Weißt du nicht, daß Stehlen unrecht ist?« Der Kopf nickte voll Überzeugung. »Sagt jemand dir, daß du es tun sollst?« fragte Meredith. Ein unglückliches Nicken. »Wer?« Keine Antwort.
    Als die beiden Erwachsenen einander achselzuckend ansahen, riß sich der Junge plötzlich verzweifelt los und rannte auf den Gang. Mit drei raschen Schritten und ausgestrecktem Arm faßte Meredith ihn diesmal an der Hand, zog ihn wieder ins Zimmer und rief erstaunt: »Das ist aber seltsam. Sieh dir das an.«
    Er hielt die Hand des Jungen hoch, nahm die zweite und stellte fest, daß sie genauso war. In diesem Augenblick bemerkte er auch, daß im Haar des Jungen, aus dem der meiste Ruß nun herausgefallen war, eine eigenartige weiße Stelle leuchtete. »Was für ein komischer kleiner Kerl«, meinte er.
    Mrs. Meredith war weiß wie ein Gespenst und starrte das Kind an. »O mein Gott. Es kann nicht…«
    Meredith war so verblüfft, daß er das Kind losließ, das nach draußen verschwand und nicht mehr gesehen wurde.
    Sie wollte nichts sagen. Weder mit Schmeicheleien noch mit Zorn war etwas

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