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London

London

Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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schreibt, daß er krank war.«
    »Sie könnten sich doch mit ihm treffen, nicht wahr?«
    »Oh, Madam, ich glaube einfach nicht, daß ich es ertragen könnte.« Und ihr waren die Tränen gekommen.
    Esther Silversleeves wollte seit einiger Zeit schon ins Westend fahren. Vor zwei Jahren hatte ein Amerikaner namens Selfridge in der Oxford Street ein großes Warenhaus eröffnet. In jüngeren Jahren war Esther immer gerne vor Weihnachten in das große Kaufhaus Harrod's in Knightsbridge gegangen. Selfridge's machte ihm nicht nur Konkurrenz, sondern hatte so viele Abteilungen, darunter ein Restaurant, daß man dort den ganzen Tag verbringen konnte. Sie hatte ihren Kutscher angewiesen, sie dort um zehn Uhr abzusetzen und um drei Uhr abzuholen, und kaum war er fort, hatte sie die Gemächer Tom Browns aufgesucht. Weder sie noch Lord St James wußten, wer der andere war, als er aus dem Anprobezimmer kam, ihr einen belustigten Blick zuwarf und sich auf den Rückweg in das Junggesellenviertel Albany machte, wo er nun lebte, nahe beim Piccadilly.
    Als Percy um halb zwölf kam, war er höchst erstaunt, Mrs. Silversleeves anzutreffen, die er nie zuvor gesehen hatte. Auf ihre Bitte hin begleitete er sie zurück zu Selfridge's und ging mit ihr in das Restaurant, wo sie ein Stückchen Kuchen und eine Tasse Tee bestellte. Sie erkundigte sich nach seiner Gesundheit und fragte ihn, ob ihm immer noch etwas an Jenny lag. Zufrieden mit seinen Antworten erklärte sie, warum sie gekommen war. »Jenny selbst, Mr. Fleming, hat keine Ahnung, daß ich Sie aufgesucht habe, und ich will nicht, daß sie es erfährt. Aber ich werde Ihnen etwas sagen. Was Sie mit dieser Mitteilung anfangen, ist natürlich ganz Ihre Sache.«
    Ein wenig sanfte Überredung von seiten Mrs. Silversleeves' war nötig, bevor Jenny der Begegnung zustimmte. Der zweite Brief, in dem stand, er würde aufgrund seiner Gesundheit den ganzen Winter über fortgehen, gab den Ausschlag. »Ich glaube, es wäre eine Gefälligkeit, sich mit ihm zu treffen«, sagte Esther, als Jenny sie um Rat fragte. Und so saß sie nun, zwei Wochen später, in einem hübschen kleinen Cafe namens Ivy Percy gegenüber und trank Tee. Sie stellten einander die üblichen Fragen. Sie war in Brighton gewesen. Mrs. Silversleeves ging es gut. Maisie und Herbert bereiteten in Maisies Theatergruppe eine Weihnachtspantomime vor. Erst nach der ersten rituellen Tasse Tee sprach Jenny das große Thema an. »Du gehst also fort.«
    »Ja. Der Arzt hat gesagt, ich sollte es tun wegen meines Hustens. Man hat befürchtet, daß es Tuberkulose sein könnte.« Der Fluch der Zeit. »War es dann doch nicht, aber der Arzt hat gemeint, wenn ich wirklich gesund werden will, sollte ich im Winter irgendwohin gehen, wo es warm ist.«
    »Wie die reichen Leute, Percy. Die gehen nach Südfrankreich.«
    »Ich weiß. Es ist lustig, aber genau das mache ich. Wenn man dort in eine kleine Pension geht, ist es anscheinend viel billiger als in England. Und ich habe auch ein wenig gespart. Als Junggeselle habe ich ja nichts, wofür ich das Geld ausgeben könnte. Und so geht es nächste Woche zu einem Fünf-MonateUrlaub nach Südfrankreich!«
    »Du wirst lauter französische Mädchen kennenlernen, Percy.« Jenny brachte ein Lächeln zustande. »Du wirst eine Französin als Ehefrau mitbringen.«
    Percy runzelte die Brauen. »Da bin ich nicht so sicher, Jenny. Du hast ganz recht gehabt, daß du mich abgelehnt hast. Als man diese ganzen Untersuchungen mit mir angestellt hat, ist noch etwas herausgekommen. Ich kann heiraten – und all das – , aber Kinder wird es wohl nie geben. So ist es.«
    Es war dunkel, als Edward Bull aus der Loge kam und von Walbrook Richtung St. Paul's ging. Er wollte die Nacht in seinem Club verbringen. In London hatte es immer viele Freimaurer gegeben. Manche fanden ihre Geheimrituale, Initiationsriten und geheime Mitgliedschaft unheimlich, aber Edward Bull war nie dieser Ansicht gewesen. Er war als junger Mann Freimaurer geworden, hatte dadurch viele Geschäftsleute kennengelernt und betrachtete das Ganze als eine Art Club, zwar mit einigen schrulligen und mittelalterlichen Regeln, aber hauptsächlich mit wohltätigen Werken befaßt. Ein Treffen seiner Loge hatte ihn an diesem Frühlingstag im Jahr 1912 nach London gebracht. Er bog in die Watling Street ein, kaufte sich eine Zeitung und sah die Schlagzeile.
    Er fand Violet in einer Zelle. Sie war erstaunt, ihn zu sehen. »Ich habe versucht, die Rechtsanwälte zu

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