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London

London

Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Fahrzeuge eine motorisierte Version der alten Pferdedroschken – sehr wendig und innen geräumig. Aufgerüstet mit Leitern auf dem Dach und einem angehängten Pumpenwagen kurvten sie voll einsatzfähig durch die brennenden Straßen. Die Londoner Feuerwehr hatte Freiwillige wie Charlie intensiv geschult, so daß bei Kriegsbeginn eine Reihe von ihnen sofort als Vollzeitkräfte zu drei Pfund pro Woche übernommen wurden. Zu Beginn hatte es Schwierigkeiten gegeben. Charlie und die übrigen Rekrutierten waren eine Weile in einem alten Gebäude bei Vauxhall stationiert, wo sie alle Läuse und Krätze bekamen. Demoralisierender war in den ersten Kriegsmonaten die Andeutung, die Feuerwehrmänner hätten sich nur deshalb freiwillig gemeldet, um sich vor der Armee zu drücken, und viele gingen daraufhin tatsächlich zur Armee. Doch in den letzten Tagen hatten die verachteten Feuerwehrmänner ihre Chance bekommen zu zeigen, was sie konnten. Denn im Dezember 1940, ein Jahr nach der offiziellen Kriegserklärung, begann Hitler seine berüchtigte Offensive, um England in die Knie zu zwingen: den Blitzkrieg gegen London.
    Charlie erinnerte sich noch gut an den Ersten Weltkrieg. Es hatte einige Angriffe von Zeppelinen auf London gegeben, die damals alle entsetzten. Aber nichts hätte darauf vorbereiten können, was nun stattfand. Der Blitzkrieg war nicht einfach ein Angriff, er war ein Inferno. Nacht für Nacht regneten die Bomben auf die Docks herab. Zuckerraffinerien, Teerdestillieranlagen, über eine Million Tonnen Holz verbrannten und explodierten zu Flammenwällen, die von den Männern in den umfunktionierten Taxis kaum gelöscht werden konnten. Die schrecklichsten Brände dieses grausamen Septembers waren die Öltanks, die tagelang schwarzen Rauch in die Atmosphäre bliesen und fast hundert Meilen weit bis ins West Country gesehen werden konnten.
    Als Charlie in der vergangenen Nacht auf dem Dach eines Öltanks war, hörte er die Warnrufe der Männer unten nicht. Er sah die Messerschmitt erst, als sie nur noch etwa fünfhundert Meter entfernt war und direkt auf ihn zuflog. Er tat das einzige, was er konnte, und richtete den Wasserschlauch auf den Piloten. Niemand wußte so recht, wie es sein konnte, daß Charlie noch da war, als der Kampfflieger ein paar Sekunden später wieder hoch in die Luft abdrehte.
    »So etwas! Ich hab gedacht, die Leute meinen, man ist bei der Feuerwehr sicherer, als wenn man zur Armee geht«, bemerkte er, als er herunterkam. Aber auf dem Rückweg nach Battersea dachten ein paar seiner Freunde, daß jeder Mann nur ein bestimmtes Maß an Glück hatte, und Charlie schien in der letzten Nacht einiges davon aufgebraucht zu haben.
NACHMITTAG
    »Ist etwas nicht in Ordnung?«
    Normalerweise schlief Helen am Nachmittag eine Stunde, so daß ihre Mutter aufsah, als sie schon um zwei Uhr ins Wohnzimmer des Hauses am Eaton Place kam.
    »Ich kann nicht schlafen.« Sie hatte Ringe unter den Augen.
    »Dasselbe Problem wie neulich?« fragte Violet sanft.
    Es war kaum erstaunlich, daß Helen, die inmitten von soviel Grauen und Tod einen Ambulanzwagen fuhr, gelegentlich von Todesahnungen gequält wurde. Die meiste Zeit, sagte sie ihrer Mutter, hatte sie zuviel zu tun, um darüber nachzudenken, aber manchmal suchten solche Vorstellungen sie heim.
    »Du hast solche Gefühle schon öfter gehabt«, meinte Violet. »Und du bist immer noch hier.«
    »Ich weiß. Ich glaube, ich mache einen Spaziergang.« Einen Augenblick später, als Violet die Tür zuschlagen hörte, seufzte sie auf. Sie hatte schon ein Kind verloren. Mußte sie noch ein zweites verlieren?
    Henry. Henry, der ihr nie die Kampagnen verziehen hatte, um derentwillen er auf der Schule gelitten hatte; Henry, der Großvater Edward gegen sie unterstützt hatte, als er Helen während der achtzehn Monate, in denen Violet immer wieder im Gefängnis saß, mit nach Bocton genommen hatte. »Er gibt der Familie ein Zuhause«, hatte er bitter zu ihr gesagt. »Du nicht.« Trotzdem hatte Henry als einziger sie im Gefängnis besucht.
    Über ein Vierteljahrhundert war seit dieser Zeit vergangen, doch Violet schien sie immer noch schmerzlich nahe. Dreimal war sie im Gefängnis gewesen. Erzürnt über die zynische Verachtung selbst von seiten der Liberalen, waren einige Aktive der Frauenbewegung nach und nach zu sorgfältig berechneten Ausschreitungen übergegangen. Mehrere Häuser, darunter das von Lloyd George, wurden in Brand gesetzt. Emily Wilding Davison warf sich bei einem

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