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London

London

Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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wandte und meinte: »Hier haben wir einen jungen Normannen mit seiner englischen Ehefrau, die beweisen, daß beide Völker friedlich zusammenleben können.«
    Im darauffolgenden Jahr war es jedoch zu einem weniger glücklichen Vorfall gekommen. Ihr Vater hatte eine recht pragmatische Einstellung dem König gegenüber. »Er gefällt mir zwar nicht, aber er wird uns wahrscheinlich erhalten bleiben, also müssen wir das Beste daraus machen.« Als er erfuhr, daß der König ein paar Jagdfalken haben wollte, hatte Leofric keine Mühen und Kosten gescheut, um ein wunderbares Paar zu finden, und als Hilda und ihr Mann wieder am Hof eingeladen wurden, gab er ihr die Vögel mit und sagte ihr, sie solle sie Wilhelm als ein Geschenk von ihm überreichen.
    Als die Diener ihres Mannes die zwei schweren Käfige hereintrugen, rief der König hocherfreut: »Ich habe nie schönere Vögel gesehen. Woher habt Ihr sie?« Bevor sie die Frage beantworten konnte, trat Henri vor und meinte schamlos: »Ich habe weit und breit nach ihnen gesucht, Sire.« Und dann lächelte er seine Frau frech an.
    Sie konnte ihrem Mann natürlich nicht vor dem König widersprechen. Doch es durchzuckte sie ein kalter Schmerz, und sie fühlte, wie etwas in ihr starb. Vielleicht hätte sie ihm ja verziehen, wenn er sie nicht obendrein noch angelächelt hätte, überlegte sie später. Doch nun ging sie zu ihrem Geliebten und spürte Henri gegenüber nichts außer einem Pflichtgefühl.
    Auf der anderen Seite der Holzbrücke über den Fleet, wo früher einmal eine heilige Quelle gewesen war, stand nun eine kleine Steinkirche, die einer keltischen Heiligen gewidmet war, die oft mit solchen Wasserstellen in Verbindung gebracht wurde: St. Bridget oder auch St. Bride, wie sie in diesem Fall hieß. Hier an der kleinen Kirche St. Bride gegenüber von Ludgate wartete er geduldig auf sie.
    Barnikel von Billingsgate war verliebt. Die Eroberung Englands hatte den Dänen schwer getroffen. Seine Ländereien in Essex waren von den Normannen konfisziert worden. Aber er hatte es geschafft, sein Geschäft in London zu behalten, und zu seiner Überraschung hatte Silversleeves ihm sogar gewissenhaft Leofrics alte Schulden abbezahlt. Sein jüngster Sohn, der eigentlich das Sachsenmädchen hätte heiraten sollen, hatte eine ausgezeichnete Ehe geschlossen. Der Junge lebte bei seinem Schwiegervater, dessen Geschäft er zu gegebener Zeit übernehmen sollte. Doch dann war plötzlich seine Frau gestorben, und dem Dänen war darüber fast das Herz zerbrochen. Nur zwei Dinge hielten ihn am Leben – sein geheimer Kampf gegen die normannischen Eroberer und seine Beziehung zu Hilda.
    Anfangs waren sich beide mit großer Zurückhaltung begegnet, denn beide bedauerten es, daß ihre Familien sich so entzweit hatten. Doch nachdem Barnikels Sohn geheiratet hatte, fühlten sie sich weniger befangen, wenn sie sich auf dem West Cheap trafen, und hielten oft inne, um ein paar freundliche Worte zu wechseln. Barnikel hatte sich angewöhnt, über den Fleet zu spazieren, wenn er vermutete, daß auch sie in dieser Gegend einen Spaziergang machte. Lange hatte er sich eingeredet, seine Gefühle zu ihr seien rein väterlicher Natur. Nur einmal, etwa vor fünf Jahren, hatte er es gewagt weiterzugehen. Sie hatte an diesem Tag sehr müde und traurig gewirkt, und er hatte sie gefragt: »Wirst du von deinem Mann schlecht behandelt?«
    Sie hatte nur traurig gelächelt. »Das nicht. Aber was würdest du denn dagegen tun?«
    Der Däne war instinktiv etwas näher an sie herangetreten und hatte mit fester Stimme gemeint: »Ich würde dich ihm wegnehmen!«
    Daraufhin hatte sie nur den Kopf geschüttelt und gemurmelt: »Wenn du solche Sachen sagst, können wir uns nicht mehr treffen!« Daraufhin hatte er nie mehr derartige Vorstöße gewagt.
    Und so verbrachten sie Jahr für Jahr als keusche Liebende. Hilda wußte, daß sie von ihrem Mann nur sehr begrenzt geliebt wurde, und konnte es durchaus mit ihrer Ehe vereinbaren, von einem älteren, klügeren Mann auf diese Art geschätzt zu werden. Barnikel wiederum stellte fest, daß die Rolle des glühenden Verehrers, der vielleicht nicht ganz ohne Hoffnung war, ihm eine ganz besondere Freude bereitete.
    Nun kam er eifrig auf sie zu, und gemeinsam gingen sie nach Westen Richtung Aldwych, wo auch der alte Friedhof seiner Wikingervorfahren, St. Clement Danes, lag.
    Die Grundmauern des riesigen Towers wuchsen, der Grundriß des Inneren war bereits deutlich erkennbar. Die linke

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