Londons Albtraum-Nächte
sie sich an den Fassaden festgeklammert.
Beide waren wir sehr aufmerksam. Wir sprachen so gut wie nicht. Der Rover schlich wie ein Raubtier auf der Suche nach Beute durch die Nacht. Das Licht der Scheinwerfer war ein blasser Teppich, der immer wieder in die Dunstwolken hineindrang und sie aufhellte wie eine Lampe, die ein schwaches Streulicht verbreitete.
Auch jetzt kam Soho nicht zur Ruhe. Noch immer hielten sich Menschen auf den Gehsteigen auf. Ruhelose, Einsame, die einen gemütlichen Ort suchten, an dem sie Unterhaltung hatten. Nicht nur einmal sahen wir die Gestalten in einem der Lokale und Pubs verschwinden.
Unterschiedliche Lichter malten sich auf dem Pflaster ab. Da gab es farbige Mosaike, die im Dunst verschwanden. Das Licht der Laternen mischte sich an manchen Stellen ebenfalls hinein, und auch die Außenbeleuchtungen der Kneipen taten ihr Übriges, um die Lichtmengen noch mehr zu verändern.
Das war die eine Seite.
Die andere gab es auch noch. Die dunkle, die gefährliche, die mehr im Hintergrund ihren Platz gefunden hatte. Bei und in den Hinterhöfen, die zwischen den alten Häusern lagen, die für die einen romantisch und für die anderen nur trist aussahen.
Dort konnte sich ein Killer tagelang verbergen, ohne dass er gefunden wurde.
Hatten wir es mit einem solchen zu tun?
Ich ging davon aus. Aber ich war mir nicht sicher, ob wir einen Menschen vor uns hatten.
Es war inzwischen später geworden. Die Theater und Kinos hatten ihre Besucher entlassen. Bei einem anderen Wetter wären sie jetzt noch in die Lokale geströmt. So aber warteten die Inhaber vergebens auf Kundschaft.
Ich schaute auf die Karte und dirigierte Suko. Sehr oft schoben wir uns in die schmalen Gassen hinein, die dunkel waren, weil es so gut wie keine Laternen gab. Hier und da leuchtete das Licht einer einsamen Reklame, das war auch alles.
Wir gaben nicht auf. Beide hatten wir das Gefühl und beinahe schon die Gewissheit, dass sich der Killer auf den Weg gemacht hatte, um zuzuschlagen.
Aber wer war er? Wie sah er aus?
Wir hatten keinen Hinweis. Für uns war er bisher noch ein Irrer, der nur gedroht hatte. Uns wäre es am liebsten gewesen, wenn es dabei geblieben wäre.
Den Polizeifunk hörten wir nicht ab. Es passierte immer etwas, aber wir wollten uns diese Meldungen nicht an tun, weil sie vom eigentlichen Problem ablenkten.
Als wir die einsame Gegend im alten Soho einige Male durchfahren und nichts gesehen hatten, änderten wir unser Verhalten. Wir kamen überein, uns einen Fixpunkt zu suchen, um dort abzuwarten, ob etwas passierte. Es war ein kleiner Platz am Rande des alten Soho. Laubbäume wuchsen hier hoch, und ihr kahles Astskelett ragte über uns in den Himmel.
Suko hatte den Rover auf den Gehsteig gelenkt. Das war an dieser Stelle zwar verboten, doch darum kümmerten wir uns nicht. Der Killer war jetzt wichtiger.
»Willst du wirklich warten?«, fragte ich.
»Etwas.«
»Und dann?«
»Gehen wir zu Fuß und schauen uns um.«
»Okay.«
Wir hingen unseren Gedanken nach. Der Tag neigte sich immer mehr dem Ende entgegen. Mitternacht würde in knapp zehn Minuten sein.
Es gab diese Mitternachtsmörder, die sich diesem Ritual anpassten, aber so recht wollte ich daran nicht glauben. Ich rechnete damit, dass wir es hier mit einem völlig anderen Fall zu tun hatten oder mit einer Begegnung aus der Vergangenheit.
Noch hatte es keinen Toten gegeben, der auf diesen Killer hingedeutet hätte. Das musste nicht so bleiben.
In dieser Gegend hatten sich auch die letzten Menschen fast zurückgezogen. Hin und wieder sahen wir eine Gestalt durch den Nebel gehen, aber sie war harmlos. Das ging uns nichts an, denn die Person machte sich nirgendwo zu schaffen.
Suko’s Späher meldete sich nicht, und auch Sir James hatte noch nicht angerufen. Er saß in Bereitschaft in seinem Büro und hatte angeordnet, dass er sofort informiert wurde, wenn etwas passierte, das auf eine Tat dieses Killers hindeutete.
Wenn wir aus dem Fenster schauten und den leichten Dunst durch die Gassen treiben sahen, dann wurden wir an eine Kulisse erinnert, die auch zu einem Film hätte passen können. Und zwar zu einem Steifen in viktorianischer Zeit.
Nebel, die alten Häuser, einige krumme Bäume. Es fehlten nur noch die Gaslaternen und die leichten Mädchen mit ihren geschminkten Gesichtern, die auf Kunden warteten.
Die allerdings ließen sich ebenso wenig blicken wie die Nutten. Bei diesem Wetter holten sich die Girls ihre Kundschaft in den
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