Lonely Planet Reiseführer Berlin
gegründet worden und erst 1932 von Dessau nach Berlin umgezogen. Viele der Visionäre, die hier lehrten, wie Gropius, Mies van der Rohe, Wagner und Mendelsohn, gingen ins Exil in die USA.
Hitler, der ein großer Anhänger des architektonischen Monumentalismus war, beauftragte Albert Speer, Berlin zur „Welthauptstadt Germania“, der zukünftigen Reichshauptstadt, umzubauen. Heute vermitteln nur noch wenige Nazibauten eine Ahnung dessen, wie Berlin hätte aussehen können, wenn die Geschichte anders verlaufen wäre. Dazu gehören das kolosseumsartige Olympiastadion von Walter und Werner March sowie Ernst Sagebiels Flughafen Tempelhof. Heinrich Wolff entwarf die Reichsbank in der Kurstraße, die zusammen mit einem modernen Anbau von Thomas Müller und Ivan Reimann am Werderschen Markt heute Sitz des Auswärtigen Amts ist. Die Botschaften der Naziverbündeten Italien und Japan im Diplomatenviertel südlich des Tiergartens – auch auf Speers Mist gewachsen – zeigen eine ähnliche pompöse Prachtentfaltung.
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Fußball im Olympiastadion
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DIE GETEILTE STADT
Schon bevor 1961 die Mauer gebaut wurde, zeigten sich die Gegensätze der Ideologien und Wirtschaftssysteme auch im architektonischen Bereich.
Ostberlin
Die Ostdeutschen blickten nach Moskau, wo Stalin einen Stil bevorzugte, der im Prinzip eine sozialistische Neuinterpretation des guten alten Klassizismus war. Der berühmteste Architekt der DDR war Hermann Henselmann, Schöpfer der Karl-Marx-Allee (bis 1961 Stalinallee) in Friedrichshain. Die Straße wurde zwischen 1952 und 1965 gebaut und war mit ihren „Zuckerbäckerbauten“ Sinnbild der stalinistischen Prunksucht. Höhepunkt war der Alexanderplatz, der in den 1960er-Jahren ein neues sozialistisches Antlitz erhielt. Die einzigen erhaltenen Vorkriegsbauten sind das Berolinahaus (1930) und das Alexanderhaus (1932) von Peter Behrens.
Der Alexanderplatz und die Karl-Marx-Allee waren zwar Prestigeobjekte, lösten aber nicht den Bedarf an erschwinglichem und modernem Wohnraum für eine wachsende Bevölkerung. Die Regierung ließ daraufhin in den 1970er- und 1980er-Jahren drei weitläufige Satellitenstädte am Stadtrand errichten: Marzahn, Hohenschönhausen und Hellersdorf. Die riesigen Wohnbauten bestanden überwiegend aus ganzen Reihen klotziger Plattenbauhochhäuser, also aus großen, vorgefertigten Betonplatten – ein Legoland für Riesen. Allein in Marzahn lebten 165 000 Menschen in 62 000 Wohnungen. Da sie moderne Errungenschaften wie eigene Bäder und Aufzüge besaßen, waren solche Wohnungen bei Ostberlinern trotz der Monotonie höchst begehrt.
GERMANIA-MANIE
Zu Hitlers großen Plänen zählte der Umbau Berlins in Germania, eine utopische Welthauptstadt für das neue Nazireich. Der Entwurf des Architekten Albert Speer (1905–1981) und Hitlers sah zwei sich kreuzende Hauptstraßen im Zentrum vor: die Nord-Süd-Achse vom Reichstag bis Tempelhof und die Ost-West-Achse (heute Straße des 17. Juni) vom Brandenburger Tor bis zum Theodor-Heuss-Platz (damals Adolf-Hitler-Platz) in Charlottenburg. Am oberen Ende der Nord-Süd-Achse nahe dem Reichstag sollte die Große Halle des Volkes entstehen, mit Platz für 180 000 Menschen und gekrönt von einer 250 m breiten Kuppel.
Nördlich und östlich des Tiergartens wurden ganze Viertel planiert, um Platz für die ehrgeizigen Mammutbauten zu schaffen. Glücklicherweise konnte Speer nur den Bau der Reichskanzlei in der Voßstraße verwirklichen, bevor der Zweite Weltkrieg seiner Vision ein Ende bereitete.
Speer wurde im Nürnberger Prozess zu 20 Jahren Haft verurteilt. Den größten Teil saß er im Kriegsverbrechergefängnis in Spandau ab, wo er ein paar autobiografische Bücher verfasste, darunter Erinnerungen (1969), einen detaillierten Bericht über die täglichen Vorgänge in Hitlers engstem Kreis. Zusammen mit Gitta Serenys Biografie Albert Speer. Sein Ringen mit der Wahrheit (2001) vermittelt es einen Einblick in diese umstrittene Schlüsselfigur der Nazis.
Westberlin
In Westberlin bemühten sich die Stadtplaner, jeglichen Anschein von Monumentalismus auszulöschen und die Stadt modern aufzubauen. Ihr Gegenentwurf zur Karl-Marx-Allee war das Hansaviertel, ein freiräumiges, begrüntes Viertel aus Mehr- und Einfamilienhäusern nordwestlich des Tiergartens, das zwischen 1954 und 1957 entstand. Beteiligt waren Spitzenarchitekten wie Gropius, Luciano Baldessari, Alvar Aalto und Le
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