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Long Dark Night

Long Dark Night

Titel: Long Dark Night Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ed McBain
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der Aufschrift CRIME SCENE - TATORT - klebte an der Tür hinter ihm. Die Tür war mit einem Vorhängeschloß gesichert. Nachdem sie sich ausgewiesen hatten, zog der Uniformierte einen Schlüssel hervor.
    Unter einem Stapel ordentlich gebügelter und gefalteter Seidenunterwäsche mit Spitzenbesatz fanden sie ganz hinten in einer Schublade ihrer Kommode eine weitere Keksdose.
    Darin befand sich ein Sparbuch.
    Diesem Buch konnten sie entnehmen, daß die Tote gestern die glatte Summe von hundertfünfundzwanzigtausend Dollar abgehoben hatte. Danach waren noch sechzehn Dollar und zwölf Cents als Guthaben verblieben. Der Auszahlungsschein war in dem Buch an die Seite geheftet, auf der die Transaktion verzeichnet war. Auf dem Schein waren das Datum und die genaue Uhrzeit vermerkt: 20. Januar, 10 Uhr 27.
    Das mußte eine halbe Stunde gewesen sein, bevor Svetlana Dyalovich losgegangen war, um eine Flasche Four Roses zu kaufen.
    Blaney und dem Mann zufolge, der auf dieser Etage wohnte, war sie etwa zwölf Stunden später umgebracht worden.
     
    Dem Mann in Apartment 3D gefiel es ganz und gar nicht, um zehn vor drei am Morgen geweckt zu werden. Er war nur mit einem Schlafanzug bekleidet, als er ihnen wütend die Tür öffnete, zog sich aber schnell einen wollenen Bademantel über und führte die Detectives - noch immer grollend - in die kleine Küche. Ein winziges Fenster über dem Abfluß war frostbedeckt. Sie hörten den Wind draußen heulen. Sie behielten die Mäntel und Handschuhe an.
    Der Mann, der Gregory Turner hieß, ging zum Herd, öffnete die Ofentür und zündete die Gasflammen an. Er ließ die Tür offen. Kurz darauf fühlten sie, wie sich die Wärme in der Küche ausbreitete. Turner setzte eine Kanne Kaffee auf. Als er ihnen einschenkte, zogen sie die Mäntel und Handschuhe aus.
    Er sei neunundsechzig, erzählte er ihnen, ein unvergleichliches Gewohnheitstier, fest eingefahren in seine Gleise. Er stand jede Nacht um halb vier auf, um zu pinkeln. Sie hatten ihn vierzig Minuten zu früh aus dem Bett geklingelt, und dieser Verstoß gegen seine Routine paßte ihm nicht. Er konnte nur hoffen, daß er wieder einschlafen könne, wenn sie mit ihm hier fertig waren und er seinen nächtlichen Klobesuch hinter sich hatte. Trotz seines Meckerns kam er ihnen jedoch kooperativ, ja sogar gastfreundlich vor. Wie Kumpel, die in aller Herrgottsfrühe zum Angeln aufbrechen wollten, saßen die drei Männer um den mit einem Wachstuch bedeckten Tisch und nippten an ihrem Kaffee. Die Becher mit der dampfenden Flüssigkeit wärmten ihre Hände. Wärme strömte aus dem Ofen. Der Frühling kam ihnen auf einmal gar nicht mehr so weit weg vor.
    »Ich konnte diese Platten nicht ausstehen, die sie Tag und Nacht gespielt hat«, erzählte er ihnen. »Das hörte sich an, als würde jemand üben. Sämtliche Klassik hört sich für mich so an. Wie kann jemand daran etwas finden? Ich mag Swing. Wissen Sie, was Swing ist? War vor Ihrer Zeit, Swing. Ich bin neunundsechzig Jahre alt, hab ich Ihnen das schon gesagt? Stehe jede Nacht um Punkt halb vier auf, um zu pinkeln, und schlaf dann bis acht weiter, stehe auf, frühstücke und mache dann einen langen Spaziergang. Jenny hat mich immer begleitet, bevor sie letztes Jahr starb. Meine Frau. Jenny. Wir sind zusammen im Park spazieren gegangen, bei jedem Wetter. Haben bei diesen Spaziergängen jede Menge Probleme geklärt. Sie richtig besprochen. Tja, jetzt, wo sie nicht mehr da ist, habe ich keine Probleme mehr. Aber Sie können sich nicht vorstellen, wie ich sie vermisse.«
    Er seufzte schwer und schenkte sich Kaffee nach.
    »Auch noch einen?« fragte er.
    »Nein, vielen Dank«, sagte Carella.
    »Nur einen kleinen Schluck«, sagte Hawes.
    »Benny Goodman, Glenn Miller, das war Swing. Harry James, die Dorsey Brothers, wunderbare Sachen damals. Wenn ein neuer Song rauskam, haben sechs oder sieben Bands ihn interpretiert. Die beste Platte hat es normalerweise in die Charts geschafft. Als >Blues in the Night< rauskam, muß es ein Dutzend verschiedene Big-Band-Versionen davon gegeben haben. Tja, das war ein toller Song. Johnny Mercer hat ihn geschrieben. Haben Sie je von Johnny Mercer gehört?«
    Beide Detectives schüttelten den Kopf.
    »Er hat diesen Song geschrieben«, sagte Turner. »Woody Herman hat die beste Platte von diesem Song gemacht. Das war ein Song.« Er fing zu singen an. Seine hohe, zerbrechliche Stimme erfüllte die Stille der Nacht mit dem Pfeifen eines Zuges, dessen Echo die Gleise entlang

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