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Long Dark Night

Long Dark Night

Titel: Long Dark Night Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ed McBain
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gehört. Das lernt jeder Kriminelle zuerst: Das ist nicht meine Waffe, nicht mein Dope, nicht mein Auto, nicht mein Einbruchswerkzeug, nicht mein Messer, nicht meine Maske, nicht mein Handschuh, nicht mein Blutfleck, nicht mein Samenfleck, nicht mein was auch immer. Und wenn es doch seines war, hatte er es entweder verloren, oder es war gestohlen worden.
    Wenn man einen Mann auf frischer Tat ertappte, der gerade seine Freundin erschießen wollte, die Pistole in der Hand, den Lauf im Mund der Frau, sagte er unter Garantie zuerst: He, das ist nicht meine Waffe, wofür halten Sie mich? Außerdem proben wir hier nur eine Szene aus einem Theaterstück. Und wenn das selbst die Bullen aus einem Kaff wie Des Moines nicht mehr hören können, gibt’s auch noch ein paar andere Versionen: Sie hat ‘ne Gräte verschluckt, und ich wollte sie mit dem Pistolenlauf rausfischen, während wir auf den Krankenwagen warten. Und wenn das etwas zu weit hergeholt klingt, wie wäre es dann damit: Sie hat mich gebeten, ihr den Lauf in den Mund zu stecken, weil sie mir zeigen wollte, aus welchem Holz sie geschnitzt ist. Und außerdem ist das sowieso nicht meine Pistole, und wenn es doch meine Pistole ist, wurde sie mir gestern gestohlen. Übrigens bin ich noch nicht volljährig.
    »Gestohlen«, sagte Carella und drehte sich vom Fenster um. Keine Intonation in seiner Stimme, nur das eine nicht betonte Wort, leise gesprochen, und es klang in diesem Wohnzimmer morgens um drei Uhr wie eine dröhnende Anklage.
    »Ja«, sagte Pratt. » Gestohlen.«
    Im Gegensatz zu Carella betonte er das Wort.
    »Und wann ist das gleich noch passiert?« fragte Hawes.
    »Donnerstag abend.«
    »Das wäre der…« Hawes hatte sein Notizbuch gezückt und schlug das Kalendarium auf.
    »Am achtzehnten«, sagte Pratt. »An dem Tag ist alles schiefgegangen. Zuerst streikt mein Wagen, und dann klaut mir jemand meinen Revolver aus dem Handschuhfach.«
    »Werden wir doch mal etwas genauer«, sagte Hawes.
    »Nein, werden wir ganz genau«, sagte Pratt. »Sie drehen mich um drei Uhr morgens durch die Mangel, weil ich schwarz bin. Also bringen Sie Ihren kleinen Ritualtanz bitte hinter sich und verziehen sich dann schnell wieder, ja? Sie haben den Falschen erwischt.«
    »Vielleicht sprechen wir mit dem Falschen«, sagte Carella, »aber wir haben die richtige Waffe. Und das ist zufällig die Ihre.«
    »Ich weiß nicht, wer mit dieser Waffe was angestellt hat. Sie haben gesagt, jemand sei ermordet worden. Das will ich Ihnen mal glauben. Aber ich sage Ihnen, die Waffe ist seit Donnerstag abend nicht mehr in meinem Besitz. Da gab mein Wagen den Geist auf, und ich hielt an einer Tankstelle an, die rund um die Uhr geöffnet hat, damit die Leute ihn sich mal ansehen.«
    »Wo war das?«
    »Direkt hinter der Majesta Bridge.«
    »Auf welcher Seite der Brücke?«
    »Auf dieser. Ich hatte einen Diamantenhändler nach Hause gebracht und fuhr in die City zurück.«
    Seine Ausdrucksweise verriet ihn als Einheimischen. Diese wuchernde Großstadt war in fünf verschiedene Bezirke unterteilt, doch wenn man nicht gerade vom Mars hierher gezogen war, bezeichnete man nur einen davon als »City«.
    »Auf der Brücke fing der Wagen an zu klappern«, sagte Pratt. »Und als ich in Isola war, tat sich so gut wie gar nichts mehr. Brandneue Limousine. Keine zweitausend Kilometer auf dem Tacho.« Er schüttelte ungläubig und voller Abscheu den Kopf. »Ich kauf nie wieder so einen verdammten amerikanischen Wagen«, sagte er.
    Carella fuhr einen Chevrolet, mit dem er noch nie Probleme gehabt hatte. Er sagte nichts.
    »Wann war das?« fragte Hawes.
    »Kurz vor Mitternacht.«
    »Am vergangenen Donnerstag.«
    »An dem einfach alles schiefging«, wiederholte er.
    »Wissen Sie noch, was für eine Tankstelle es war?«
    »Na klar.«
    »Und welche?«
    »Die Bridge Texaco.«
    »Wie einfallsreich«, sagte Hawes.
    »Glauben Sie etwa, daß ich lüge?« fragte Pratt zurück.
    »Nein, nein, ich meinte nur…«
    »Wann haben Sie herausgefunden, daß der Revolver weg ist?« fragte Carella.
    Zurück zum Thema, dachte er. Pratt bekam das nicht so ganz auf die Reihe. Er glaubte, zwei weiße Cops würden ihn lediglich schikanieren, weil er ein Schwarzer war. Statt dessen schikanierten sie ihn lediglich, weil ihm ein Revolver gehörte, mit dem jemand ermordet worden war. Also sprechen wir wieder über die Waffe, okay?
    Pratt drehte sich zu ihm um. »Als ich den Wagen abholte«, sagte er. Er witterte noch immer eine Falle,

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