Long Dark Night
zwischen zwanzig und dreißig Kämpfe, je nach Dauer der einzelnen Wettkämpfe. Im Durchschnitt dauert ein Kampf so um die fünfzehn Minuten, aber manche sind schon nach fünf zu Ende, und andere - was die Zuschauer natürlich viel lieber sehen - können eine halbe Stunde oder sogar vierzig Minuten dauern, und dabei zerfetzen die Vögel sich in ihrer Raserei buchstäblich gegenseitig.
Gegenüber vom Alhambra befindet sich ein großes Parkhaus, und dort stellen die zahlenden Zuschauer ihre Wagen ab, um sie vor den Augen neugieriger Polizisten zu verbergen - wenngleich an diesem Freitag abend Informanten schon abgesahnt haben und eine große Razzia vorbereitet wird, noch bevor der erste Gast eingetroffen ist. In dem alten Kino herrscht Herzlichkeit und Fröhlichkeit vor, fast eine nostalgische Stimmung in Erinnerung an die alte Zeit auf der Insel, auf der der Hahnenkampf noch immer ein Sport für Gentlemen ist. Luis erinnert sich noch an den ersten Kampf, den er besucht hat. Er war damals sieben Jahre alt gewesen. Sein Vater hatte Kampfvögel gezüchtet, und er hatte sie immer mit einer ganz besonderen Kost aus rohem Fleisch, Eiern und einem Vitaminpräparat gefüttert, die ihre Ausdauer und Kraft erhöhen sollte. Nun, hier in dieser Stadt, zahlten die Besitzer von Kampfvögeln manchmal drei-, vierhundert Dollar im Monat an Farmer in Nachbarstaaten, nur damit sie ihre Hähne versorgten und versteckten. Das sind teure Vögel. Einige sind fünf- oder sogar zehntausend Dollar wert.
»Das ist ein Sport für Gentlemen«, wiederholt er.
Die Gäste - hauptsächlich Männer, aber hier und dort sieht man auch mal eine hübsche, dunkelhaarige, dunkeläugige Frau, für diesen festlichen Anlaß elegant gekleidet - trinken an der Bar Rum, essen Cuchifritos, unterhalten sich in ihrer Muttersprache und entspannen sich in einer Atmosphäre der völligen Akzeptanz und angenehmen Erinnerung. Es hätte durchaus eine tropische Brise durch dieses umgebaute Kino wehen können, die das Rauschen von Palmenwedeln und das Anstürmen des Meeres gegen einen weißen Sandstrand heranträgt. Für einen Augenblick gibt es eine Ruhepause für diese verpflanzten Menschen, die sich in dieser Stadt noch immer zumeist wie Fremde vorkommen.
Die Kämpfe sind wild und tödlich.
Dies ist in jeder Hinsicht ein Blutsport.
Um ihre aggressivsten Eigenschaften zu verstärken, werden die Hähne mit Fasanen gekreuzt. Ihr Futter wird mit Steroiden versetzt, die die Bildung von Muskelgewebe steigern. Sie werden mit Engelsstaub betäubt, der ihre Schmerzen dämpft, mit Kampfsporen ausgestattet und dann auf den Teppichboden des Rings gesetzt, um zu töten oder getötet zu werden. In Indien, wo sich dieser Sport großer Beliebtheit erfreut, kämpfen die Vögel »nacktfüßig« und setzen nur ihre eigenen Krallen ein, um zu zerfetzen und zu vernichten. In Puerto Rico befestigen die Trainer den Vögeln lange Plastikgeräte an den Fersen, die an Stopfnadeln erinnern. Hier in dieser Stadt wird die bevorzugte Vorrichtung »Slasher« genannt. Es handelt sich dabei um Metallstücke, deren Kanten messerscharf gewetzt sind. Solche Sporen werden an beiden Füßen befestigt. Es sind Waffen, die einzig und allein zur Verstümmelung und Zerstörung geschaffen wurden.
Luis kann es nicht ertragen, die letzten Augenblicke eines Kampfes zu beobachten, wenn die mit PCP gedopten Hähne aufeinander einhacken und mit ihren metallenen Klauen einhauen, Blut und Federn fliegen und die Zuschauer johlend den entscheidenden Schlag erwarten. Meistens kommen dabei beide Vögel um.
»Es ist traurig«, sagt Luis. »Niemand sieht gern, daß Tiere verletzt werden. Das ist ein Sport für Gentlemen.«
Die Polizeibeamten, die am vergangenen Freitag abend um 23 Uhr 27 die Razzia im Kino durchführten, waren offensichtlich anderer Ansicht. Captain Arthur Forsythe jr., der das Emergency-Service-Team befehligte, das die Speerspitze der Operation bildete, erklärte später der Presse gegenüber, der erzwungene Kampf dieser Vögel sei nur als barbarisch zu bezeichnen, ein krimineller Akt, der abgeschafft werden müsse, wolle diese Stadt sich jemals zivilisiert nennen. Seine Männer hatten die beiden Wachtposten, die an der Tür Schmiere standen, überwältigt, mit Handschellen gefesselt und auf den Bürgersteig gezerrt, bevor sie Alarm geben konnten. Dann gingen sie rein, geschützt durch kugelsichere Westen und bewaffnet mit Maschinenpistolen, und die Teams vom 48. Revier, der Task Force und der ASPCA
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