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Long Dark Night

Long Dark Night

Titel: Long Dark Night Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ed McBain
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Dollar gewesen wäre, war ihr völlig klar, daß sie es einfach nicht drauf hatte und niemals drauf haben würde. Wie konnte sie überhaupt daran denken, sich einem Monstrum wie dem presto agitato der Mondscheinsonate auch nur zu nähern, wenn sie nicht einmal die Melodie von »Midnight Sun« vernünftig gemeistert hatte? Sie tupfte sich die Augenwinkel ab und bestellte einen Grand Marnier mit Eis. Die Jungs nahmen noch einen Scotch.
    Der Barkeeper sah wie ein Schauspieler aus.
    In dieser Stadt war jeder Möchtegern-Schauspieler entweder Barkeeper oder Kellner.
    Langes schwarzes Haar, zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Braune Augen voller Gefühl. Feingeschnittene Hände mit langen Fingern. Ein großartiges Profil.
    Sein Name war Marvin.
    Ändere ihn, dachte Priscilla.
    »Ich sage Ihnen, warum wir hier sind, Marvin«, sagte sie.
    Marvin. Meine Güte.
    Er las beeindruckt ihre Karte. Die beiden Schlägertypen konnten nur ihre Leibwächter sein. Immerhin spielte die Lady im Powell Klavier, da brauchte sie Leibwächter. Er hoffte, eines Tages auch Leibwächter zu haben, wenn er erst einmal ein Matinee-Idol oder Filmstar oder beides war. Was das hier und jetzt betraf, fühlte er sich geehrt, daß sie hier und jetzt an seinem Tresen saß. In so einem miesen kleinen Schuppen.
    »Der Mann, nach dem wir suchen, Marvin…«
    Meine Güte.
    »… muß gestern morgen gegen halb zwölf hier gewesen sein, vielleicht etwas später.«
    An einem Sonntagmorgen, wenn der Verkehr nicht so stark war, mußte er mit dem Taxi etwa eine halbe Stunde bis in die Außenbezirke gebraucht haben. Der Blonde hatte das Hotel kurz nach elf verlassen. Daß er um halb zwölf auf der Harris Avenue war, war durchaus wahrscheinlich.
    »Ja, schon möglich«, sagte Marvin. »Frühstück gibt es hier ab sechs.«
    »Bis um halb zwölf?«
    »Sonntags schon. Hier kommen viele Gäste zum Brunch her, wir servieren bis um halb drei oder auch drei, dann öffnen wir wieder um neun. Wir haben das ganze Wochenende geöffnet und machen montags und dienstags zu, da ist in der Stadt eh alles so gut wie tot.«
    »Haben Sie vergangene Samstag nacht gearbeitet?«
    »Ich komme jede Nacht um vier. Dann ist Schichtwechsel. Nun, bis auf dienstags und mittwochs.«
    »Waren Sie am vergangenen Samstag um vier Uhr hier?«
    »Ja. Nun, eigentlich ist das ja Sonntagmorgen.«
    »Vier Uhr nachts, richtig?«
    »Genau.«
    »Waren Sie um zwölf Uhr mittags noch hier?«
    »Ja, ich arbeite, bis wir schließen. Sonntag ist ein langer Tag. Den Rest der Woche machen wir morgens um neun zu. Wir servieren so ein Gratis-Frühstück. Für die Gäste, die die Nacht durchmachen.«
    Georgie fragte sich, wie es wohl kam, daß Marvin, der an jedem Morgen außer Dienstag und Mittwoch um vier Uhr zur Arbeit kam, jetzt, an einem Montag morgen um drei, Viertel nach drei oder wie spät es zum Teufel auch sein mochte, Dienst schob. Er sah auf die Uhr. Zwanzig nach. Was hast du hier zu suchen, Marvin?
    Marvin war Gedankenleser.
    »Jerry hat mich angerufen, damit ich früher komme«, erklärte er.
    Georgie fragte sich, wer Jerry war.
    »Weil Frank sich dauernd übergeben mußte.«
    Georgie fragte sich, wer Frank war.
    »Muß wohl so eine Grippe sein«, erklärte Marvin.
    »Heute sind Sie also früher gekommen?« fragte Tony.
    »Ja, so vor einer Stunde.«
    »Und gestern?« wollte Priscilla wissen.
    »Da bin ich wie immer gekommen.«
    »Um vier Uhr morgens.«
    »Genau.«
    »Der Mann, den wir suchen, ist blond«, sagte Priscilla. »Ihr seid Cops, stimmt’s?« meinte Marvin.
    »Nein, ich bin Entertainerin. Ich habe Ihnen doch meine Karte gezeigt.«
    »Und was ist mit Ihren beiden Freunden? Sind das Cops?«
    »Sehen die wie Cops aus?« fragte Priscilla.
    Sie sahen nicht wie Cops aus, fand Marvin.
    »Ein großer blonder Mann mit einem blauen Mantel und einem roten Schal«, sagte Priscilla.
    Marvin schüttelte bereits den Kopf.
    »Haben Sie so einen gesehen?« fragte Georgie.
    Er war froh, daß Marvin den Kopf schüttelte. Er wollte hier nur so schnell wie möglich raus, bevor Marvin der Gedankenleser es sich anders überlegte.
    »An so einen erinnere ich mich nicht«, sagte Marvin.
    Gut, dachte Tony. Nichts wie raus hier.
    »Aber warum fragen Sie nicht Anna?« sagte Marvin. »Sie hätte seinen Mantel entgegengenommen.«
     
    Sie fanden Jose Santiago endlich um 3 Uhr 25 an diesem Montag. Sie waren von der Annahme ausgegangen, daß ein Mann, der Tauben züchtete und einen Kampfhahn auf dem Rücksitz einer

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