Long Tunnel. Ein Roman des Homanx- Zyklus.
Es wäre schon ein direkter Treffer aus dem Geschütz eines Kriegsschiffs notwendig, um sie zu überwinden. Jeder kommt auf diesem Weg herein.«
»Seit ich hier bin, habe ich nur von den ausgedehnten Höhlen und Tunnels von Long Tunnel erzählen gehört. Wenn sie nun heil gelandet sind, ist es dann nicht möglich, daß sie einen anderen Eingang gefunden oder neu geschaffen haben? Es muß doch noch andere Öffnungen an der Oberfläche geben außer jener, die zum offiziellen Eingang ausgebaut wurde.«
»Ich nehme es an. Ja, ich denke, das könnte möglich sein. Jeder, der etwas derartiges versucht, muß eine vollständige Höhlenforscherausrüstung bei sich haben: Seile, Lampen - alles eben. Es gibt furchtbare Abgründe und bodenlose Schächte, aber es ist vorstellbar, daß sie das schaffen könnten, wenn sie dazu entschlossen sind.«
»Oder fanatisch genug.« Während sie um eine Ecke bogen, donnerte eine dritte Explosion, leiser als die anderen, durch den Tunnel. Flinx blieb gerade noch rechtzeitig stehen.
Die nächste Ladung ging vor ihnen und leicht nach rechts versetzt los, nahe genug, daß sie die Hitzewelle spüren und den Lichtblitz wahrnehmen konnten. Die Decke war glücklicherweise geglättet worden, sonst wären sie von fallenden Stalaktiten überschüttet worden. Die Wucht der Explosion war immer noch groß genug, um Felsbrocken aus der Decke zu lösen und sie beide zu Boden zu werfen.
»Bist du in Ordnung?« Während Flinx Clarity beim Aufstehen half, sah er kurz eine große blonde Frau in einem Chamäleondreß in einen Raum vor ihnen huschen, dessen Tür weggesprengt worden war. Mehrere kleine Leute, genauso gekleidet, folgten ihr hinein. Einige sahen aus, als seien sie eigentlich zu alt für derartige Aktivitäten, aber andererseits kennt Fanatismus ja keine Altersgrenze.
Sie hatten ihre Tarnanzüge benutzt, um in die Anlage einzudringen; nun, da sie entdeckt worden waren, hatten sie die Kapuzen nach hinten geschoben, um besser sehen und hören zu können.
Zwei Körper lagen im Korridor. Der eine stöhnte und rollte sich über den Boden und umklammerte den verletzten linken Arm. Clarity wollte hineilen, und Flinx mußte sie von hinten festhalten.
»Das ist Sarah! Sie ist verletzt!«
»Wir können nichts tun. Sie sind direkt vor uns. Wenn sie dich wieder schnappen, werde ich dir nicht noch einmal helfen können. Jemand anders wird sich um sie kümmern.«
Er zog sie mit sich, während er sich in Sicherheit brachte. Abgesehen davon, daß er größer war als sie, war er auch sehr viel stärker, als man seiner eher zierlichen Figur zugetraut hätte. Das war das Vermächtnis seiner Jugend, dachte er, als er mit den Fingerspitzen an Häuserwänden gehangen hatte, um der Polizei zu entgehen, und auf seinen Raubzügen oft genug von Wänden zu Fenstern und zurück gesprungen war.
Eine neuerliche Explosion erfolgte diesmal in dem Raum, den die Angreifer besetzt hielten. Gelbe Flammen zuckten hoch und breiteten sich an der Decke aus.
»O Gott!« stöhnte Clarity. »Das war unsere Mikrochirurgie! Es dauert Jahre, um wenigstens einen Teil der Geräte, die hier standen, nachliefern zu lassen.«
»Du solltest dir lieber um die Geräte zwischen deinen Haaren und deinen Stiefeln Sorgen machen. Die zu ersetzen, dauert gewiß noch länger«, warnte er sie mit gepreßter Stimme.
In der Höhle erklangen die typischen Geräusche kleiner Feuerwaffen: das Knistern von Nadlern, das ‘eise Zischen von Laserpistolen. Schüsse durchdrangen ohne Schwierigkeiten die Wände aus Sprühplastik. Der Korridor füllte sich allmählich mit Rauch, als entflammbare Materialien auf die Treffer der hitzeerzeugenden Waffen reagierten.
Sie hörten die Flammen, die gierig die kühle Höhlenluft verschlangen. Andere Räume und Teile der Anlage wurden regelrecht weggeflammt. Die Angreifer gingen bei ihrem Zerstörungswerk methodisch vor. Wie immer sie hereingelangt waren, hatten sie wohl zuerst Coldstripe vom restlichen Außenposten abgeriegelt. Dann hatten sie begonnen, die Anlage durchzukämmen, wobei sie alles vernichteten, was sie als etwas Höherentwickeltes betrachteten, während sie vordrangen.
»Warum?« weinte Clarity, als Flinx sie den Tunnel hinunter schleppte. »Warum? Warum?«
»Dich zu kidnappen reichte ihnen nicht«, murmelte er, während er jede Tür und jeden Quergang mit schnellen Blicken abtastete, ehe sie weiterhasteten. »Deine Flucht zwang sie, offen vorzugehen. Du hast mir doch erzählt, daß sie euch
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