Long Tunnel. Ein Roman des Homanx- Zyklus.
entfernt, um seiner Mutter näher zu sein. Er war verwirrt und verängstigt durch Flinx’ Ausbruch und gestattete Pip, ihn unter einem ihrer Flügel zu verstecken.
Clarity starrte den jungen Mann an, der plötzlich ein Stück von ihr zurückgewichen war. Schließlich lächelte sie - aber es war ein schiefes, unsicheres Lächeln.
»Was für ein Gerede ist das denn? ›Sie haben mich nicht erwischt.‹ Du bist doch gar nicht alt genug, um ein Mitglied der Gemeinschaft gewesen zu sein, nicht einmal in ihren letzten Tagen.«
Nun war es an ihm, freudlos zu lächeln. »Ich sagte dir doch, daß du überhaupt nichts verstehst. Ich war kein Mitglied der Gesellschaft. Ich bin eines ihrer Experimente. Lustig, nicht wahr? Dabei sehe ich doch normal aus.«
»Du bist normal«, erwiderte sie mit Nachdruck. »Du bist normaler als jeder, den ich kennengelernt habe. Schüchtern, ja, aber das ist nur ein weiteres Zeichen deiner Normalität.«
»Ich bin nicht schüchtern; ich bin vorsichtig. Ich trage Schutzhüllen, um mich zu verstecken. Ich halte mich stets im dunkeln und versuche, keine Erinnerung an mich zurückzulassen.«
»Das ist dir in meinem Fall ganz gewiß nicht gelungen. Flinx, das kann doch alles nicht dein Ernst sein. Wie solltest du das denn erfahren haben? Das ist unmöglich.«
»Ich war auf Moth, als die letzten Angehörigen der Gemeinschaft gegen die Regierung kämpften und beide Gruppen sich gegenseitig umbrachten. Sie kämpften um mich. Aber ich flog nicht mit in die Luft. Ich konnte fliehen.« Er erzählte ihr nicht, wie er hatte fliehen können, da er noch immer nicht genau wußte, wie er es geschafft hatte, und es beunruhigte ihn, darüber nachzudenken.
Ihre Augen suchten. Sie sehen bestimmt die gewölbte Stirn, die zusätzlichen Finger, jedes körperliche Anzeichen für mögliche Mutationen, dachte er mit leisem Spott. Sie würde nichts dergleichen finden. Die Veränderungen, die an ihm vorgenommen wurden, waren noch im Mutterleib erfolgt. Nur er glaubte, daß sie sichtbar waren.
»Ich wurde nicht geboren, Clarity, ich wurde sozusagen erbaut. Entworfen und empfangen in einem Konstruktionscomputer.« Er tippte sich gegen die Schläfe. »Was dort drinsteckt, ist eine Perversion der Natur. Ich bin nur eine funktionierende Hypothese. Die Leute, die mich ausgedacht haben, sind tot oder hirngeleert, daher ist niemand mehr da, der weiß, was sie aus mir machen wollten.
Natürlich bin ich genauso illegal wie die Mitglieder der Gesellschaft. Schuldig durch meine Geburt und nicht durch meine Zugehörigkeit. Wenn die Regierung herausbekommt, wer ich bin, dann wird man mich verhaften, einsperren und dann an mir herumspielen. Wenn man entscheidet, daß ich harmlos bin, und mich für normal erklärt, dann läßt man mich vielleicht laufen. Wenn man zu einem anderen Ergebnis kommt…«
»Das kannst du doch gar nicht wissen, Flinx. Ganz gleich, was du gesehen oder erfahren hast oder was man dir erzählt hat, es gibt keinen Grund, daß dir etwas passiert.«
Aber er erkannte, daß sein Geständnis sie nicht nur geschockt hatte, sondern daß sie unsicher geworden war. Ihre Haltung ihm gegenüber war immer noch von Hoffnung geprägt, immer noch voller Zuneigung, aber nun etwas überlegter, nachdenklicher. Die ungebändigten Gefühle versanken nun unter der Last der Fragen, die er in ihr Bewußtsein gepflanzt hatte. Es war schändlich, in dieser Weise ihre Gefühle zu beeinflussen, aber er hätte es nicht unterlassen können, selbst wenn er es gewollt hätte. Sie war sich des Mannes, der vor ihr stand, nicht mehr sicher. Die sehr vereinfachende Linse, durch die sie ihn betrachtet hatte, war für immer zerschlagen. Gleichzeitig war etwas dahingegangen, das er wohl für immer und ewig verloren hatte.
Er konnte es nicht ändern. Es war wichtig für sie, sich zurückzuziehen, Abstand zu gewinnen, zu erkennen, mit welchem Freak sie es zu tun hatte. Denn er wußte, daß er kurz davor gestanden hatte, sich hoffnungslos und gefährlich in sie zu verlieben, und er war noch nicht in der Lage, um das zuzulassen. In diese Lage würde er vielleicht niemals gelangen.
»Flinx, ich weiß nicht, was ich davon halten soll, was du mir gerade erzählt hast. Ich weiß auch nicht, ob ich etwas davon glauben kann, auch wenn du es offensichtlich tust. Ich weiß nur, daß du lieb und gut und fürsorglich bist. Das brauche ich gar nicht zu überprüfen. Ich habe es nämlich beobachtet und am eigenen Leibe verspürt. Ich glaube nicht, daß
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