Long Tunnel. Ein Roman des Homanx- Zyklus.
unerklärliche psychologische Unzulänglichkeiten zu unterhalten. Er nahm ihre Hand, geleitete sie sanft durch die Öffnung und schloß sorgfältig die millimeterdicke Tür hinter ihnen. Die beiden Leuchtröhren tauchten sie in einen Lichtkreis von etwa einem halben Dutzend Meter und hielten die Dunkelheit in beruhigender Entfernung. Er hatte nicht das Gefühl, daß sie ihn zu erdrücken drohte. Sie war einfach nur da.
Zuerst galt es, weit genug in die nächste Höhle vorzudringen, damit jemand, der durch die Tür schaute, durch die sie soeben getreten waren, ihren Lichtschein nicht entdeckte. Er bezweifelte, daß jemand sich die Mühe machen und nachschauen würde, denn das selbstverständliche Ziel für eine Flucht war natürlich die Sicherheit des Hafens. Doch er wollte kein Risiko eingehen.
Der Boden war recht glatt bis auf ein paar größere Steine und etwas Geröll. An einigen Stellen hatte das Wasser für flache und glatte Durchgänge gesorgt. Sie überquerten einen Fluß, und Flinx genehmigte sich einen Schluck von dem reinen kalten Höhlenwasser. Während er sich zu dem Rinnsal hinunterbeugte, sah er eine Masse winziger beinloser weißer Lebewesen in alle Richtungen davoneilen und vor dem Licht Reißaus nehmen.
Bei dem kratzenden und scharrenden Geräusch eines viel größeren Geschöpfs, das sich in der Dunkelheit fluchtartig entfernte, hielt er die Leuchtröhre in die betreffende Richtung. Doch nichts war zu sehen, nicht die Spur einer Bewegung zwischen den glänzenden Stalagmiten, aber er konnte um sich herum die Gegenwart der Lebewesen spüren, die sich in ihre Verstecke zurückzogen.
Während sie immer weiter und tiefer vordrangen, sah er winzige Lichtpunkte außerhalb der Reichweite seiner Leuchtröhren aufblitzen. Wahrscheinlich Photomorphen oder eine andere außergewöhnliche selbstleuchtende Lebensform, die möglicherweise noch gar nicht wissenschaftlich erfaßt war. Was immer es sein mochte, die Lichter erloschen, sobald die hellere Leuchtkraft der Röhren sich näherte. Wenn Flinx und Clarity vorbeigegangen waren, drehte Flinx sich um, blickte zurück und sah die Lichtpunkte erneut in der Dunkelheit aufzucken.
Die vergleichsweise angenehme Beschaffenheit des Bodens ließ sie in verhältnismäßig kurzer Zeit eine beträchtliche Entfernung zurücklegen. Für eine Weile hörten sie sogar Stimmen und Explosionen. Diese wurden aber mit zunehmender Entfernung schwächer und verstummten ganz.
Die Fanatiker hatten das Vorratslager bereits erreicht, so vermutete er. Er und Clarity hatten es gerade noch rechtzeitig verlassen. Er versuchte sich in die Lage der Angreifer zu versetzen. Wenn sie schlau waren, dann würden sie einen oder zwei ständige Wachen am Eingang zur Lagerhöhle aufstellen, aber er hatte keine Ahnung, inwieweit er seiner Vermutung trauen konnte. Gewiß waren sie so fanatisch, wie Clarity sie beschrieben hatte. Daß sie sich dazu hatten hinreißen lassen, eine offiziell arbeitende Firma direkt anzugreifen, von dem Commonwealth-Außenposten ganz zu schweigen, war Beweis genug für ihren Einsatz, für ihr Anliegen und ihre Bereitschaft, alles zu riskieren, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Das war aber kein Beweis dafür, daß sie auch in jeder Hinsicht logisch handeln würden.
Sie hatten sich nun von der Einrichtung weit genug entfernt, um sich in Sicherheit ausruhen zu können, doch er ging weiter, da er keine Überraschung riskieren wollte. Beim nächsten reinen fließenden Gewässer, so schwor er sich, würden sie ein Lager aufschlagen und dort abwarten. Bis dahin wäre vielleicht längst alles vorüber, wären die Eindringlinge abgezogen und nähmen die Hafenbehörden wieder ihren normalen Dienst auf. Es wäre durchaus sinnvoll, wenn die Angreifer sich beeilten, da immerhin die Chance gegeben war, daß sich irgendwelche Friedenstruppen in der Nähe aufhielten. Doch ohne Tiefraumkommunikationsstrahl, so lieferte er sich gleich das Gegenargument, müßte ein Kriegsschiff sich schon sehr nahe bei Long Tunnel befinden, um einen Notruf aufzufangen.
Er schaute auf sein Chronometer. Eigentlich herrschte Nacht, doch innerhalb der Höhlen war Dunkelheit ein ständiger Zustand. Während er die Fähigkeit entwickelt hatte, jederzeit ein kurzes Schläfchen zu halten, wann immer es sich als notwendig erwies, glaubte er nicht, daß auch Clarity über diese Fähigkeit verfügte. Um ihretwillen würden sie daher versuchen, einen normalen Vierundzwanzigstundenrhythmus
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