Loose Laos
Die erhofften Produktionszuwächse blieben aus. Die Gründe dafür waren vielfältig. Neben einer Serie von Überschwemmungen, Organisationsfehlern und der schlechten Grundausrüstung vieler Genossenschaften sträubten sich vor allem die Bauern gegen eine Kollektivierung, da sie anschließend nicht mehr frei über ihre Er träge verfügen konnten. Als die Proteste zunahmen und auch Bauern über den Mekong zu fliehen begannen, musste die laotische Führung ein sehen, dass die Kampagne gescheitert war.
Auf der Grundlage der so genannten 7. Resolution des Zentralkomitees 1979 wurden die Genossenschaften in den Folgejahren teilweise aufgelöst und in Anlehnung an Lenins Neue Ökonomische Politik mehr Marktwirtschaft auf dem Weg zum Sozialismus zugelassen. Einschneidende Reformen folgten aber erst sieben Jahre später, als Kaysone Phomvihane unter dem Eindruck von
perestroika
(russ. „Umgestaltung“) und
doi moi
(viet. „Erneuerung“) das „Neue Denken“
(chintanakan mai)
proklamierte.
Neues Denken, alte Köpfe
Mit dem „Neuen Denken“ leitete der 4. Parteikongress der LRVP 1986 den schleichenden Übergang von der Plan- zur Marktwirtschaft ein. Die Kursänderung, die erst nach parteiinternen Kämpfen zustande gekommen war, resultierte aus mehreren Überlegungen: Zehn Jahre nach der Revolution war es noch immer nicht gelungen, das Entwicklungsniveau des Landes zu heben. Zugleich machte die Krise der europäischen Bruderländer deutlich, dass die Hilfszahlungen nicht ewig fließen würden. Und nicht zuletzt setzte in Thailand und anderen südostasiatischen Staaten langsam, aber sicher der Aufschwung ein.
Ende der 80er-Jahre begann die laotische Führung damit, weitreichende Reformen umzusetzen: 1988 wurde ein Gesetz zur Begünstigung ausländischer Direktinvestitionen erlassen. Es folgten die Neustrukturierung des Bankensystems, die Privatisierung staatlicher Unternehmen und die Deregulierung der Preise. Der Wechselkurs des Kip wurde freigegeben, und die Öffnung des Landes für den Tourismus schuf sogar einen völlig neuen Wirtschaftszweig. In der ersten Hälfte der 90er-Jahre zeigten sich die ersten Erfolge . Zwischen 1992 und 1997 lag das Wirtschaftswachstum im Schnitt bei 7 %. Das extrem niedrige Pro-Kopf-Einkommen konnte mehr als verdoppelt und die Inflation bei 10 % gehalten werden.
Doch auch Probleme wurden deutlich: Holzeinschlag und Dammbauten belasteten die Ökosysteme, Überbürokratisierung begünstigte die Korruption, die landwirtschaftliche Produktion stagnierte, und das Entwicklungsgefälle zwischen Stadt und Land nahm dramatisch zu. Außerdem geriet Laos in wirtschaftliche Abhängigkeit von Thailand, das zwischen 1992 und 1996 drei Viertel aller Direktinvestitionen im Land tätigte und zum wichtigsten Handelspartner aufstieg.
Problematisch war auch, dass die ökonomischen Reformen nicht von politischen begleitet wurden. Die meisten Veränderungen resultierten aus Forderungen der neuen internationalen Geldgeber, die ein Minimum an Rechtsstaatlichkeit und politischer Legitimation erwarteten. 1989 fanden die ersten Wahlen zum Volkskongress statt, bei denen die LRVP 14 ihrer zuvor 79 Sitze an Nicht-Kommunisten abgab.
In der neuen Verfassung von 1991 wurde das Wort „Sozialismus“ ausgespart und Hammer und Sichel zugunsten des That Luang aus dem Staatswappen verbannt. Die Partei dachte aber nicht im Traum daran, ihr Machtmonopol aufzugeben. Das hatte sich schon 1990 gezeigt, als drei Regierungsmitglieder wegen Kritik am Einparteiensystem festgenommen und zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden waren. Artikel 3 der neuen Verfassung unterstrich noch einmal ausdrücklich die Führungsrolle der LRVP, und Khamtay Siphandone, der nach dem Tod Kaysone Phomvihanes 1992 Premierminister wurde, ließ keinen Zweifel daran, dass sich das auch künftig nicht ändern würde.
Umerziehungslager
Zwar verlief die Revolution in Laos sanfter als in Vietnam, doch behandelten auch die Pathet Lao ihre politischen Gegner anschließend nicht zimperlich. Zwischen 1975 und dem Ende der 80er-Jahre schickte die neue Führung 10 000–15 000 Offiziere, Polizisten und Repräsentanten des alten Regimes zur „Umerziehung“ in Internierungslager (manche Schätzungen liegen bei 30 000–40 000). In dem Glauben, die Umerziehung dauere nur wenige Monate, gingen viele freiwillig. Je nach Rang und Funktion konnten aus den Monaten jedoch Jahre werden. Rund ein Drittel der Internierten kehrte überhaupt nicht mehr zurück. Die
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