Lord Camerons Versuchung
meinetwegen hier, Cam. Geh dorthin, wo dein Herz ist, und ich werde dir folgen.«
Cameron sah wieder aus dem Fenster und betrachtete die Dächer von Paris. Daniel wartete auf dem Sofa, er war so angespannt wie sein Vater.
Es war nicht richtig von Daniel gewesen, aus der Schule fortzulaufen, aber insgeheim respektierte Cameron seine Gründe für diese Entscheidung. Cameron hatte Daniel nach Cambridge geschickt, weil alle MacKenzies dorthin gegangen waren, und ihm war ein Platz dort bei seiner Geburt zugesichert worden.
Aber eigentlich hatte Cameron überhaupt nichts dagegen gehabt, Daniel auf dieser Reise um sich zu haben. Es hatte ihm Freude gemacht, ihn und Ainsley laut über alles lachen zu hören, was sie an diesem Tag lustig gefunden hatten, die beiden jeden Kuchen in Paris probieren zu sehen oder sich von ihnen in obskure Gegenden der Stadt führen zu lassen, nur um zu sehen, wie es dort zuging. Cameron wusste, dass er strenger sein sollte, was Daniel und Cambridge anging. Ein Junge musste zur Universität gehen, und Cameron musste eigentlich ein Vater sein, der das Leben seines Sohnes genau kannte und bestimmte. Aber er hatte nicht das Herz dazu. Wenn Daniel wirklich unglücklich war, dann mussten sie sich etwas anderes überlegen.
Cameron richtete seinen Blick auf die beiden, die Seite an Seite dasaßen und auf seine Antwort warteten, seine Frau und sein Sohn sahen ihn mit der gleichen Eindringlichkeit an.
»Monte Carlo«, sagte er.
Ainsley blinzelte. »Dein Herz ist in Monte Carlo?«
Cameron lächelte nicht. »Ich bin die selbstzufriedenen Pariser und die von ihrem Genius überzeugten Künstler leid. Das muss ich zur Genüge schon von Mac ertragen. In Monte Carlo wirst du einer viel bunteren Mischung von Menschen begegnen.«
»Werde ich das?«
Cameron wandte sich zu ihnen um und sah sie beide mit seinem topasfarbenen Blick an. »Es wird dir gefallen, Ainsley. Nicht ein Mensch dort hat etwas Uneigennütziges im Sinn. Eine Einbrecherin dürfte solche Verderbtheit unterhaltsam finden.«
»Das klingt interessanter als selbstzufriedene Künstler, die von ihrem Genius erfüllt sind.«
»Und der Sonnenaufgang über dem Meer von der oberen Stadt aus gesehen ist wunderschön.« Das stimmte, und Cameron wollte Ainsley diesen Anblick zeigen, ihr Entzücken darüber sehen. Er dachte an Ian, der Beth während des Feuerwerks beobachtet und daran mehr Freude gefunden hatte als an dem Lichterspektakel selbst. Jetzt konnte er seinen Bruder verstehen.
Ainsley zwinkerte Daniel zu und streckte die Füße in den neuen Lacklederstiefeln aus. »Ich habe nur eine Frage zu diesem ach so aufregenden Monte Carlo«, verkündete sie.
Camerons Augen wurden angezogen von ihren knöchelhohen Stiefeln, ordentlich zugeknöpft über Seidenstrümpfen. Er stellte sich vor, jeden Knopf zu öffnen, Ainsleys nackten Knöchel zu lecken und mit der Zunge hinauf bis zu ihrer Kniekehle zu fahren. Ainsley und ihre Knöpfe.
»Und die wäre?«, brachte er fertig zu fragen.
Sie lächelte ihn an und zwinkerte Daniel zu. »In Monte Carlo – gibt es dort auch Kuchen?«
Es gab dort Kuchen und zudem das Casino, das Ihre moralische Majestät Königin Victoria zutiefst missbilligte. Als sie ihr Hotel in Monaco erreichten, bat Cameron Ainsley, das dunkelrote Samtkleid anzuziehen, das er in Edinburgh für sie ausgesucht hatte, und er führte sie geradewegs in das Casino.
Ainsley fand sich in einem lang gestreckten, luxuriösen und von einer Kuppel gekrönten Gebäude voller eleganter Menschen wieder. Die Wände des Foyers mündeten in einem riesigen rechteckigen Buntglasfenster, und das Foyer selbst war mit Gemälden und Statuen im klassischen Stil geschmückt. Die Spielsäle gingen von dieser Rotunde ab, die Cameron mit der ihm eigenen Lässigkeit betrat.
Er wurde von den Croupiers mit Namen begrüßt und von den Schmetterlingen angelächelt – reizend aussehende Frauen, die vom Casino engagiert waren, um Spieler an die Spieltische zu locken. Mehr als ein interessierter Blick richtete sich auf Ainsley, schließlich hatte man auch hier von Cameron MacKenzies überraschender Heirat gehört.
Aber Ainsley merkte rasch, dass Cameron sich in Monte Carlo ebenso unwohl fühlte, wie es in Paris letztlich der Fall gewesen war. Er mochte mit seinen Freunden plaudern und lachen, Whisky trinken und Zigarren rauchen, während er Karten spielte, doch mit dem Herzen war er nicht dabei.
Ainsley lernte den wahren Cameron besser kennen, während die Tage
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