Lord Camerons Versuchung
Haarnadel aus ihrem aufgesteckten Zopf und gab sie ihm. »Versuchen Sie es damit.«
»Ah, das Handwerkszeug Ihres Berufsstandes.« Cameron nahm die Nadel, steckte deren Spitze in eine leicht ausgekerbte Vertiefung und zog.
Der Boden der Schublade glitt zur Seite und gab ein einzelnes gefaltetes Blatt Papier frei. Ainsley griff danach und faltete es auseinander, seufzte aber enttäuscht, noch ehe sie ein Wort gelesen hatte. »Es ist eine andere Handschrift. Sie ist nicht die ihre.«
Ainsley reichte Cameron das Blatt und wandte sich ab.
Sie ging zum Kamin, um sich die Bücher anzusehen, die auf dem Sims standen, doch ein leiser Ton hinter ihr ließ sie sich umdrehen. Cameron stand noch immer an derselben Stelle wie zuvor, starr wie Stein, den Blick auf den Brief in seiner Hand gerichtet.
»Lord Cameron?«
Er schien sie nicht zu hören. Er starrte auf den Brief, als könne er nicht begreifen, was darin stand.
Ainsley ging zu ihm. »Was ist denn?«
Als sie seine Hand berührte, zuckte er zusammen und schaute hoch, sein Blick war leer.
»Er hat meiner Frau gehört.«
Du lieber Gott. Ainsleys Traurigkeit über den verblichenen John Douglas konnte auch jetzt noch ausgelöst werden, wann immer sie unerwartet auf etwas stieß, das ihm gehört hatte. Obwohl Cameron jetzt schon seit langer Zeit Witwer war, musste sein Schmerz über die Gewaltsamkeit des Todes Lady Elizabeths und der folgenden furchtbaren Verdächtigungen noch groß sein.
»Es tut mir sehr leid«, sagte Ainsley, und ihr ganzes Mitgefühl lag in diesen Worten.
Cameron sah sie an. Sein amüsiertes Verhalten und das Komplizenhafte bei der Suche waren verschwunden.
Ohne ein Wort ging er zum Kamin, in dem ein Feuer gegen die Kälte der Septembernacht brannte, und warf den Brief in die Flammen. Ainsley eilte zu ihm, als Cameron den Schürhaken nahm und das Blatt tief zwischen die Kohlen drückte.
»Warum haben Sie das getan? Der Brief Ihrer Frau …«
Cameron ließ den Schürhaken fallen. Seine Hand war schwarz von Ruß, und er zog ein Taschentuch hervor, um ihn abzuwischen. »Meine Frau hat ihn nicht geschrieben.« Seine Stimme klang harsch. »Es war ein Brief an sie, von einem ihrer Liebhaber. Der sie seiner unsterblichen Leidenschaft versichert.«
Ainsley blieb erschrocken stehen. »Cameron …«
»Meine Frau hatte viele Liebhaber, sowohl vor als auch nach unserer Heirat.« Die Erklärung klang beiläufig und verriet keine Emotion, aber seine Augen erzählten Ainsley eine andere Geschichte. Lady Elizabeth hatte ihn verletzt, tief verletzt.
Nach allem, was Ainsley über Lady Elizabeth Cavendish gehört hatte, war sie neurotisch, wunderschön und wild und einige wenige Jahre älter als Cameron gewesen. Ihre Ehe war von Anfang bis Ende ein Skandal gewesen und hatte mit ihrem Tod sechs Monate nach Daniels Geburt geendet. Lady Elizabeth musste sehr oft in diesem Zimmer gewesen sein, vielleicht hatte sie eines Tages den Brief hier versteckt, bevor Cameron oder einer der Diener sie beim Lesen ertappen konnte.
Ainsleys Wut brandete auf. »Das war nicht sehr fair von ihr.«
»Ich treibe es doch auch mit verheirateten Frauen. Wo ist da der Unterschied?«
Der Unterschied bestand darin, dass es ihm keine Freude machte und er die Frauen verachtete, mit denen er zusammen war. »Ich denke, Sie schreiben diesen Frauen keine Briefe, in denen Sie von Ihrer unsterblichen Leidenschaft sprechen.«
»Nein.«
Cameron rieb sich das Handgelenk, an dem sich die Ärmelmanschette gelockert hatte. Ainsley sah wieder die Narben, rund und gleichförmig.
»Wer hat Ihnen das angetan?«, fragte sie.
Cameron zerrte an dem Ärmel und schloss ihn. »Lassen Sie es gut sein.«
»Warum?«
»Ainsley.« Das Wort klang schroff und voller Schmerz.
»Mylord?«
»Hören Sie auf.« Cameron umfing ihr Gesicht mit beiden Händen, seine Finger gruben sich in ihr Haar. »Hören Sie … doch bitte auf.« Er beugte sich zu ihr hinunter und küsste sie mit rauer Verzweiflung.
8
Cameron küsste sie nicht einfach nur. Seine Lippen öffneten ihren Mund, und er nahm sich, was er wollte. Er schaffte es, dass Ainsley den Kuss erwiderte. Er schaffte es, dass sie mehr begehrte.
Seine Hände hielten sie fest, aber Ainsley wollte gar nicht fort von ihm. Seine Oberschenkel drängten sich gegen ihre Röcke, der Druck seiner Erektion war direkt und schamlos. Cameron wusste, wie er seinen Mund zu einem Instrument der Sinnlichkeit machen konnte, und er hielt sich nicht damit auf, sein Begehren zu
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