Lord Camerons Versuchung
Sie hätten sehen sollen, wie er angefangen hat zu knurren. Er hat mir gesagt, ich solle die Finger von Ihnen lassen.« Daniel grinste. »Ich habe ihm das nur gesagt, um zu sehen, ob er sich etwas aus Ihnen macht. Ich denke, das tut er.«
»Du hättest das nicht sagen sollen, Danny. Wahrscheinlich hat er dir geglaubt.«
»Eher nicht. Dad macht sich nicht viel aus dem, was ich sage.« Daniel verschränkte die Arme. »Aber ich will nicht, dass er Ihnen etwas vormacht.«
Ainsley richtete ihren Schal. »Nun, darüber musst du dir keine Gedanken machen, mein Lieber. Ich bin nicht naiv, und ich bin nicht die Art Frau, die dein Vater bevorzugt.«
»Das nicht, aber ich glaube, Sie sind die Art Frau, die er braucht.«
Ainsley stieß langsam den Atem aus. Ihr Körper summte noch von Camerons Berührung, und sie fand es schwer, sich auf die pragmatischen Worte seines Sohnes zu konzentrieren.
»Schlag dir das aus dem Kopf«, sagte sie. »Wenn diese Veranstaltung hier vorüber ist, heißt es für mich, zurück nach Balmoral und zur Königin. Ich werde deinem Vater vermutlich lange Zeit nicht wieder über den Weg laufen.«
Und wäre das nicht schade?
Daniel verbarg seine Enttäuschung nicht. »Mrs Douglas, Sie müssen es versuchen.«
»Nein, muss ich nicht. Ich muss jetzt mein Ballkleid anziehen, um mit deinen Tanten die Gastgeberin zu spielen.« Aber wäre es nicht großartig, eine strahlende Lady zu sein? In einem Kleid aus heller Seide, mit Brillanten am Dekolleté, und Walzer in einem prächtigen Ballsaal zu tanzen? Ihr Partner würde Cameron sein, ein großer Mann, der sich mit Anmut bewegte.
Daniel hörte auf zu argumentieren, aber sein Stirnrunzeln sprach Bände. Schließlich wandte er sich ab und ging die Treppe hinunter, die Hunde folgten ihm auf dem Fuße. Er ging so schnell, dass Ainsley fast rennen musste, um mit ihm Schritt halten zu können.
Whisky beruhigte ihn nicht. Cameron trat gegen die Papierstapel, die Ainsley aufgeschichtet hatte, und hoffte, es würde ihm dann besser gehen. Aber auch das half nichts.
Er stürmte zurück in sein Schlafzimmer, brachte sein Hemd in Ordnung, zog eine andere Jacke an und verzichtete auf eine Krawatte. Er konnte dieses verdammte Ding nie richtig binden. Dafür gab es schließlich Frauen und Kammerdiener.
Er trank, während er sich ankleidete, aber selbst die Hälfte des Whiskys in der Karaffe konnte die Erinnerung an Ainsleys Kuss nicht auslöschen. Wäre Daniel nicht hereingeplatzt, wäre Cameron jetzt in ihr, würde endlich erfahren, wie sie sich anfühlte, wenn sie ihn umschloss.
Er war nicht sicher, was er von Daniels Auftritt halten sollte. Der Blick, mit dem sein Sohn ihn angesehen hatte, war ärgerlich gewesen, nicht eifersüchtig oder wütend. Daniels Geschichte, dass er Ainsley als Geliebte wollte, schien sich in Rauch aufgelöst zu haben, der Junge hatte sie vermutlich als eine Art Trick benutzt.
Zur Hölle aber auch, Cameron wusste nie, was Daniel wirklich dachte oder wollte. Sie redeten nie miteinander – sie plauderten, das ja. Oder sie stritten. Daniel war kein schlechter Junge, aber seine Vorstellung von Gehorsam sah so aus, dass er nur tat, was Cameron wollte, wenn seine Entscheidung ohnehin in dieselbe Richtung ging. Wenn Daniel anderer Meinung als Cameron war, tat er letztlich nur das, was ihm passte.
Cameron hatte es aufgegeben und ließ ihn meist gewähren. Camerons eigener Vater war der Teufel in Person gewesen und hatte seine Söhne so rigide kontrolliert, dass Cameron noch heute darüber staunte, wie sie überhaupt noch hatten atmen können.
Der alte Duke hatte Cameron mit mehr Nachsicht als seine anderen Söhne behandelt, weil Cameron an Pferden und erotischen Bildern interessiert gewesen war –
Wie ein richtiger Mann es sein sollte,
hatte der Duke gesagt.
Er hatte Ian regelmäßig verprügelt, hatte gesagt, dass es unhöflich von Ian sei, niemanden anzusehen. Er hatte Mac für dessen Liebe zur Kunst geschlagen, weil er
wie einer dieser verdammten Widernatürlichen
sei; und Hart hatte er unnachgiebig jeden Tag Schläge verpasst,
um einen Mann aus ihm zu machen. Wenn er eines Tages der Duke ist und von lauter Narren umgeben sein wird, soll er stark sein.
Cameron hatte danebengestanden, bedrückt und wütend und außerstande, dem Treiben ein Ende zu machen. Bis zu dem Tag, an dem er zu Semesterende aus Harrow zurückgekommen war und erkannt hatte, dass er größer und stärker als sein Vater war. Er hatte das Haus betreten und hatte die
Weitere Kostenlose Bücher