Lord Camerons Versuchung
von oben zu ihm hinunter. »Seien Sie nicht albern. Ich besitze durchaus so etwas wie Moral, Lord Cameron.«
Schade. Cameron folgte ihr durch eine schmale Tür auf dem Treppenabsatz zu seinem Flur. Seine Räume lagen zwei Türen weiter den Gang hinunter, und er ging an Ainsley vorbei, um die Tür zum Schlafzimmer mit seinem Schlüssel zu öffnen.
»Das spart Ihnen Zeit, sie auf Ihre Art zu öffnen«, sagte er.
Ohne Kommentar nahm Ainsley sich seine Jacke von den Schultern und reichte sie ihm, dann betrat sie das Zimmer. Sie ging direkt auf seinen Schrank zu, öffnete ihn und begann, ihn zu durchsuchen. Cameron warf die Jacke auf einen Stuhl und betrachtete die erfreuliche Ansicht von Ainsleys Rückseite, die sich anmutig bewegte, während sie seine Hemden und Kragenschachteln hochhob, unter deren Deckel spähte und Stoff betastete.
Er legte seine Handschuhe und die ihn beengende formelle Weste ab, ehe er sich Whisky in ein Kristallglas einschenkte. Mit dem Glas in der Hand lehnte Cameron sich gegen einen der Bettpfosten und beobachtete Ainsley weiterhin bei ihrem Tun.
Sie schloss den Schrank und wandte sich dem Bücherschrank mit den verglasten Türen zu. »Sie sind ein seltsamer Mann, Lord Cameron. Sie trinken Whisky und rauchen Zigarren im Beisein einer Lady, ohne sie um Erlaubnis zu fragen. Ganz zu schweigen davon, dass Sie ihr beim Krocket den Ball wegschlagen, statt ihr zu gestatten, zu gewinnen. In meiner Welt gehört sich das einfach nicht. Man würde Sie mit Entsetzen betrachten.«
»Welch Glück, dass ich nicht in Ihrer Welt lebe. Abgesehen davon weiß ich, dass Sie keine Lady sind.«
Sie sah ihn verblüfft an, während sie den Bücherschrank öffnete. »Wie bitte?«
»Sie knacken Türschlösser und stehlen sich in mein Schlafzimmer, Sie kennen die Schleichwege durch das Haus meiner Vorfahren, Sie durchsuchen kaltblütig mein Schlafzimmer, und letzte Nacht haben Sie mit mir auf meinem Bett gerungen.« Er trank nachdenklich einen Schluck von seinem Whisky. »Ich würde sagen, all das macht Sie nicht zu einer Lady.«
»Die Umstände erfordern manchmal ein seltsames Benehmen, Mylord.«
»Zum Teufel mit den Umständen. Sie haben noch nicht unter der Matratze nachgesehen.«
»Die kommt als Nächstes dran.« Ainsley zog ein Buch aus dem Regal und begann, es durchzublättern. Sie erkannte, was für eine Art Buch es war, und errötete.
Cameron unterdrückte ein Lachen, als Ainsley auf eine Seite mit überdeutlich nackten von Courbet gemalten Gestalten starrte, die auf interessante Weise miteinander verschlungen waren. Er schloss schnell eine Wette mit sich selbst ab, ob sie das Buch empört zur Seite legen und aus dem Zimmer stürmen würde oder ob seine Mrs Douglas sich weiter vorwagte.
Er gewann die Wette, als sie entschlossen Luft holte und das Buch bis zu Ende durchblätterte.
Nachdem sie nichts gefunden hatte, stellte sie es zurück in das Fach und öffnete vorsichtig das nächste, das vom Inhalt dem ersten sehr ähnlich war. »Sie – lesen – das?«
»Natürlich. Ich sammle sie.«
»Es ist auf Französisch.«
»Lesen Sie keine französischen Bücher? Isabella sagte mir, dass Sie mit ihr zusammen auf dieser feinen Akademie waren.«
»Ich habe es gelernt, aber ich bezweifle, dass eines dieser Worte in unserem Lehrbuch gestanden hat.«
Cameron verzichtete auf den Versuch, sein Lachen zurückzuhalten, und ließ ihm freien Lauf. Es fühlte sich gut an.
»Ich wäre sehr viel schneller fertig, wenn Sie mir helfen würden«, sagte sie.
Cameron lehnte sich wieder gegen den Bettpfosten. »Aber es ist viel unterhaltsamer, Ihnen dabei zuzusehen.«
Ainsley stieß einen ärgerlichen Laut aus und stellte das Buch zurück in den Schrank. Dann löste sie die Bänder einer Sammelmappe und schlug deren Deckel auf. Sie betrachtete die erste Zeichnung. »Ich weiß, dass ich weltfremd bin, Lord Cameron, aber ich bin nicht sicher, ob überhaupt möglich ist, was diese Menschen hier tun.«
Cameron beugte sich über ihre Schulter, um auf eine erotische Skizze Romanos zu schauen, gezeichnet vor drei Jahrhunderten. Zugegebenermaßen befanden sich die dargestellten Akteure in einer seltsamen Stellung. »Ich habe die Zeichnungen ihrer Schönheit wegen gekauft, nicht als Anleitung.«
»Nun, welch ein Segen, sonst hätten Sie wohl nie einen Sohn bekommen.«
Cam lachte erneut, und unverfälschte Heiterkeit erfüllte ihn mit Macht.
Konnte etwas sinnlicher sein, als eine schöne junge Frau dabei zu beobachten, wie
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