Lord Camerons Versuchung
Hilfe brauchen oder doch meine Kutsche wünschen, um heimzufahren, müssen Sie sofort nach mir schicken. Versprochen?«
»Oh ja, Mylord. Das werde ich. Sie sind sehr freundlich.«
Um Himmels willen, geh endlich!
»Und beherzigen Sie meinen Rat hinsichtlich Lord Cameron. Ganz egal, wie sehr er Sie in Versuchung führt.«
Dafür ist es zu spät.
»Ja, natürlich. Ich danke Ihnen für Ihre Warnung.«
Rowlindsons Mund verzog sich zu einem Lächeln. »Vielleicht können Sie und ich uns bei einer späteren Gelegenheit unterhalten. Darf ich Ihnen eine Nachricht schicken, durch Mrs Chase?«
»Ich bin nicht sicher, ob das schicklich wäre«, sagte Ainsley und versuchte, sittsam zu klingen.
Ihre Sorge über Sitte und Anstand schien ihn zu entzücken. »Ich werde sehr diskret sein. Guten Abend, Gisèle.«
Rowlindson nickte ihr noch einmal zu, öffnete die Tür und ließ Ainsley endlich allein.
Sie zwang sich, noch weitere quälende zehn Minuten zu warten, um Rowlindson Zeit zu geben, wieder die Treppe hinaufzugehen. Dann zog sie ihre klobigen Schuhe aus, die zum Kostüm gehörten, und schlich sich auf Strümpfen aus dem Zimmer.
Wie gewöhnlich verspätete sich Phyllida. Cameron hatte sich in den Schatten der Bäume zurückgezogen und wartete. Es war bereits nach halb zwei, als Phyllida lässig in den Wintergarten geschlendert kam. Sie war gekleidet, wie sie sich eine ägyptische Prinzessin vorstellte: ein langes, gerade fallendes Gewand, das jede Kurve ihres Körpers betonte, schwarz geschminkte Augen, Goldschmuck an Armen, Hals, Fußgelenken und Ohren.
Sie blieb stehen und schaute sich nach Ainsley um. Cameron trat hinter einem Vorhang aus Ranken hervor. »Phyllida.«
Sie zuckte zusammen, dann errötete sie. »Zum Teufel, Cameron, was willst du denn hier? Ich habe dir gesagt, dass ich die Briefe nur Mrs Douglas übergebe.«
Cameron zog die zu einem Bündel gerollten Banknoten aus der Tasche, und Phyllidas Blick wurde scharf vor Gier.
»Sind das fünfzehnhundert?«, fragte sie. »Wie abgemacht?«
»Wie abgemacht. Du gibst mir die Briefe und belästigst Ainsley nie wieder.«
Ihre geschminkten Augen wurden groß vor Entzücken. »Du nennst sie jetzt bei ihrem Vornamen? Wie schnell die Dinge sich doch entwickeln.«
»Hast du die verdammten Briefe oder hast du sie nicht?«
»Das ist wirklich köstlich. Die kleine graue Maus Ainsley Douglas und der berüchtigte Lord Cameron MacKenzie. Wie wird das die Gesellschaft entzücken!«
Cameron fühlte Wut in sich aufsteigen. »Sag ein Wort über sie, und ich werde dich erwürgen.«
»Du warst schon immer so brutal. Habe ich dir je gesagt, wie aufregend das war?«
»Die Briefe, Phyllida.«
Phyllidas Blick glitt an Cameron vorbei, und ihr Gesicht leuchtete vor reiner Freude auf. Es war ein Ausdruck, den Cameron nie zuvor bei ihr gesehen hatte.
»Da bist du ja, Liebling. Bitte komm und beschütze mich vor Lord Camerons Drohungen. Du weißt, was ich dir über die MacKenzies gesagt habe.«
Cameron wandte sich um und sah einen Mann vor sich, wie er ihn zuallerletzt erwartet hätte: einen hochgewachsenen schwarzhaarigen jungen Mann mit der gebräunten Haut und den dunklen Augen eines Süditalieners. Cameron glaubte ihn schon einmal auf einer Bühne gesehen zu haben. Vielleicht auf einer Opernbühne.
»Entschuldigen Sie sich bei der Dame«, sagte der Italiener. Sein Akzent war nur leicht, sein Englisch gut. »Ich weiß, dass Sie ihr Liebhaber waren, aber das ist jetzt vorbei.«
»Das ist wahr«, sagte Cameron. »Es ist vorbei. Phyllida, wer zum Teufel ist das?«
»Das geht dich nichts an«, erwiderte sie knapp. »Er ist hier, um aufzupassen, dass ich nicht betrogen werde.« Sie wandte sich wieder an den Italiener. »Liebling, hast du die Briefe dabei?«
Cameron schloss die Faust um die Banknoten, er hatte nicht vor, sie Phyllida zu geben, ehe sie ihm nicht die kostbaren Dokumente ausgehändigt hatte. Der Italiener griff in seine Tasche und zog einen Stapel gefalteter Blätter hervor.
»Sind das alle?« Cameron sah ihn an. »Ainsley sagte, es seien sechs.«
»Das sind alle.« Der Mann streckte sie ihm entgegen. »Sie können der Signora vertrauen, sie ist fair.«
Fair? Phyllida? Entweder war der Mann ein guter Lügner, oder Phyllida hatte ihn gründlich getäuscht.
Cameron griff nach den Briefen. Der Italiener zog die Hand zurück. »Zuerst geben Sie ihr das Geld.«
Zur Hölle.
»Lassen Sie es uns gleichzeitig machen, einverstanden?«
Der Mann nickte kühl. Er hielt
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