Lord Camerons Versuchung
von selbst aufgehört hatte. Eine Lungenentzündung war allerdings eine andere Sache. Jasmine konnte heute Nacht sterben, wenn sie daran erkrankt war.
»Mit den anderen ist alles in Ordnung«, sagte Angelo.
»Bringt ihr warmes Wasser in die Box«, sagte Cameron. »Ich werde sie abreiben.«
»Warmes Wasser wird schon geholt.« Natürlich hatte Angelo schon jemanden danach geschickt.
Cameron zog die Jacke aus, rollte die Hemdsärmel auf und griff nach Striegel und Wurzelbürste. Pferde abzureiben war gut für ihre Blutzirkulation und hielt sie warm. Sie konnten nach dem Tierarzt schicken, aber ohne Zweifel würde er ihnen dieselben möglichen Ursachen nennen, auf die Angelo und Cameron bereits gekommen waren. Zudem lagen für den Notfall in der Sattelkammer Medikamente bereit, aber Cameron wollte Jasmine keine Medizin verabreichen, solange sie nicht wussten, womit sie es zu tun hatten. Die Stute warm zu halten war die erste Maßnahme.
Jasmine reagierte kaum, als Cameron sie bürstete, außer dass sie ihren Kopf an seine Schulter schmiegte. Angelo brachte Decken, die er ihr umlegte. Sie würden ihr mit einem Schlauch Wasser einflößen müssen, wenn sie sich weigern sollte, es selbst zu tun.
Die Nacht war jetzt klar und kalt, und Cameron dachte mit Bedauern an Ainsleys Schlafzimmer, in dem ein wärmendes Feuer brannte, und wie sie sich an ihn schmiegen würde. Aber er wusste auch, dass sie verstehen würde, warum er nicht zu ihr gekommen war, wenn er es ihr am Morgen erklärte. Sie würde es nicht nur verstehen, sie würde verlangen, über Jasmines Zustand unterrichtet zu werden. Cameron konnte sich keine Frau vorstellen, die nicht wütend darüber gewesen wäre, von einem Pferd ausgestochen zu werden. Aber Ainsley würde ihm nur bestätigen, dass er das Richtige getan hatte, als er bei Jasmine geblieben war.
Cameron war mit dem Bürsten fertig und verließ die Box. Jasmine streckte den Kopf über die Tür, und er streichelte ihren Nacken.
»Ist schon gut, mein Mädchen. Ich lasse dich nicht allein.«
Angelo hatte bereits eine weitere Decke, ein frisches Hemd und eine andere Jacke für Cameron besorgt. Cam fragte sich oft, was er ohne Angelo tun würde. Angelo, der Rom, den er eines Nachts in der Nähe seines Anwesens in Berkshire vor dem sicheren Tod gerettet hatte. Eine Gruppe Männer aus Hungerford hatte den achtzehnjährigen Angelo verfolgt und schließlich gestellt, nachdem sie ihn dabei erwischt hatten, wie er Essen für seine Familie gestohlen hatte. Sie hatten ihm die Lebensmittel weggenommen und angefangen, ihn zu schlagen. Messer waren gezückt worden, die dafür sorgen sollten, dass der diebische Rom den nächsten Morgen nicht erlebte.
Dieser Vorfall hatte sich nach Elizabeths Tod ereignet, kurz nachdem Cameron das Anwesen gekauft hatte. Cameron war durch die erste Morgendämmerung geritten, betrunken und unfähig zu schlafen. Er hatte die Gelegenheit begrüßt, sich an einer Auseinandersetzung zu beteiligen. Er hatte die Schläger vertrieben, Angelo mit zu sich nach Hause genommen und ihm genügend Essen für seine Familie gegeben. Er war mit Angelo zu dessen Leuten gegangen, die auf einem Hausboot auf dem Kennet and Avon Canal lebten und auf ihn warteten. Das Boot war voller Menschen gewesen: Angelos Eltern, die Großeltern, Brüder und Schwestern und ungefähr ein Dutzend Kinder.
Cameron hatte ihn dort zurückgelassen und war davon ausgegangen, den Mann zum letzten Mal gesehen zu haben. Doch nur wenige Wochen später war Angelo wieder bei Cameron aufgetaucht. Es gäbe im ganzen Land keinen besseren Rennmanipulator als ihn, hatte Angelo behauptet, deshalb wüsste er auch, wie man sich vor allen Tricks schützen könnte. Er würde Camerons Pferde beschützen und wollte als Gegenleistung einen Platz zum Schlafen und hin und wieder etwas Geld, um es seiner Familie zu geben.
So hatte es angefangen. Und Angelo hatte sich als kompetenter und loyaler als irgendjemand sonst erwiesen, dem Cameron je begegnet war. Jetzt kümmerte sich Angelo mit der gleichen Intensität, wie er für die Pferde sorgte, auch um Cameron. Er kannte Camerons Launen und wusste, was ihn quälte, er kannte seine Albträume und die dunklen Erinnerungen, und er war immer mit einem Drink oder einem Schlaftrunk zur Stelle oder hörte ihm einfach nur zu. Ohne Angelo, das wusste Cameron, wäre er schon vor langer Zeit verrückt geworden.
Jetzt legte Angelo die Decke für Cameron ins Stroh, stellte eine Flasche Brandy daneben und zog
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