Lord der toten Seelen: Royal House of Shadows (German Edition)
Frau, die ihn belogen hatte. Doch egal, was er gesagt hatte, sie wusste, das konnte nicht der einzige Grund für seinen Zorn sein.
Wie konnte er es ertragen, sie zu berühren, wenn ihr Gesicht das hässliche weibliche Spiegelbild ihres Vaters war? Wenn ihre Augen die des Blutmagiers waren? Wenn ihre Hakennase genau die des Mannes war, der Micahs Eltern ermordet hatte? Von ihrer Mutter hatte sie nichts als die Farbe ihrer Haut, als hätte er auch das geraubt, als er Irina den Zauber auferlegt hatte, der sie mit Blindheit schlug für das Kind, das sie geboren hatte.
Der Himmel über ihr wurde wieder blau, und seine Klarheit lachte ihrem kläglichen Versuch Hohn, der Wahrheit ihrer mörderischen Herkunft zu entkommen.
„Es tut mir leid“, flüsterte sie. „Es tut mir so leid.“
Doch Micah konnte sie nicht hören, und als die Sonne sich auf ihrem Weg hinab zu den Bergen dunkel-orange verfärbte und die Kitchari beseitigten, was von den Leichen der Arachdem übrig war, war er nicht bei ihr, um sie im Arm zu halten … und würde es nie wieder tun. Sie zwang sich, nicht daran zu denken, damit der Schmerz sie nicht lähmte, und verbrachte die letzte halbe Stunde vor Sonnenuntergang damit, gemeinsam mit Jissa genug Proviant für ihre Reise nach Elden zusammenzutragen. Auch wenn sie noch nicht wusste, wie sie die Grenze zwischen den Welten überqueren sollten oder die tödlichen Fallen ihres Vaters auf dem Weg zur Burg umgehen. „Wir finden einen Weg“, sagte sie. „Das werden wir.“
„Was?“, fragte Jissa. Die Brownie war mehr als verwirrt über Lilianas plötzlichen Wunsch, Proviant zu packen, aber sie tat, was sie konnte, um zu helfen.
„Zeit“, antwortete Liliana. „Wir brauchen nur genug Zeit, denn auch wenn er die Macht des Abgrundes verliert, sobald er diese Welt verlässt, ist er immer noch ein Erdmagier und hat nicht nur seine eigene Magie, sondern die Kraft von ganz Elden zur Verfügung, wenn wir das Königreich erreicht haben.“ Nur dass dieses Land gebrochen war und seine Seele in Fetzen hing.
„Liliana.“ Sie spürte Jissas kleine warme Hand auf ihrem Arm. „Warum weinst du?“
„Oh.“ Sie versuchte, die Tränen abzuwischen, und schaffte es nicht, weil immer mehr kamen. „Ich muss schrecklich aussehen. Schlimmer als sonst.“ Sie nahm das Taschentuch, das die Brownie ihr reichte, und ließ sich zwischen die Säcke voll Mehl und Äpfeln auf den Boden sinken. Die zwitschernde Schar der Bitterkeit wuselte um sie herum, und die Kreaturen säuselten so beruhigend, wie sie konnten. Ihr ältester Freund in der Burg schlüpfte zwischen ihnen hindurch, um sie mit der Nase anzustupsen. Seine kleine Magie sprühte Funken vor Kummer.
Die Zärtlichkeit dieser kleinen Wesen brachte sie nur noch mehr zum Weinen, weil sie nichts davon verdient hatte.
„Liliana“, erklang Jissas besorgte Stimme. „Komm her, komm.“
Irgendwie lag sie schließlich mit dem Kopf in Jissas Schoß und weinte sich richtig aus. Die Brownie streichelte ihr behutsam übers Haar und murmelte Dinge, die Liliana nicht richtig verstand, die ihr aber dennoch ein wenig Trost spendeten. Das klaffende Loch, das Micah in ihr hinterlassen hatte, als er fortgegangen war, würde nie verheilen, aber diese kleine Linderung würde es ihr erlauben, die kommenden Tage zu überstehen. Viele würden es nicht mehr sein – dafür würde der Todeszauber sorgen, der den Blutmagier ein für alle Mal vernichten sollte.
Kurz nach Sonnenuntergang saß sie im Badezimmer neben ihrem Schlafzimmer und versuchte, sich den Gestank der eigenen Hinterlist abzuwaschen, als Micah hereinkam. Ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen, als sie zu ihm aufsah und entdeckte, dass er vom Hals bis zu den Zehen in seine Rüstung gehüllt war. „Bist du bereit aufzubrechen?“, fragte sie und konnte sich nur mit Mühe davon abhalten, ihn um etwas anzubetteln, auf das sie kein Recht hatte.
„Nein.“ Ein einziges hartes Wort. „Ich muss heute Nacht hierbleiben, um sicherzustellen, dass die Arachdem nicht zurückkommen.“
„Ja, natürlich.“ Die Kreaturen ihres Vaters waren tückisch genug dafür, aber sie würden nicht mehr lange warten können. „Dann gehst du noch einmal in die Nacht hinaus?“
„Das muss ich nicht. Das Land weiß, dass es wachsam sein muss – es warnt mich, wenn sie kommen“, sagte er in dem gleichen groben Tonfall, der nicht zu dem Micah passte, den sie kannte.
Und liebte. So sehr.
„Jetzt“, befahl er, „wirst du mir alles
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