Lord der toten Seelen: Royal House of Shadows (German Edition)
vergelten, aber gleich den Wächter zu schicken …“
Micah zog einen Samtbeutel aus ihrem Gepäck. „Eure Bezahlung.“
Esme sah zu, wie ihr Mann den Beutel öffnete und sich einen Schwall Rubine, Smaragde und Diamanten auf die Hand regnen ließ. Auch er ließ sich in einen Stuhl fallen. Micah setzte sich ebenfalls, ohne auf eine Einladung zu warten, und Liliana tat es ihm gleich.
„Für so viel Reichtum, mein Lord“, sagte Esme mit leiser besorgter Stimme, während ihr Mann den königlichen Schatz ignorierte, um ihre Hand in seine zu nehmen, „wollt Ihr entweder meine Seele oder mein Leben.“
„Keines von beidem. Lily?“
Sie war sich sehr bewusst, wie das Ehepaar sie mit unverhohlener Neugierde anstarrte, diese seltsame Kreatur, die den gefürchteten Lord begleitete. „Wir müssen das Herz des Königreiches Elden vor Mitternacht des morgigen Tages erreichen. Sprecht Ihr zu den Winden?“
Esme schluckte. „Ich bin keine mächtige Magierin, Mylady. Ich kann nur flüstern.“
Ihr Mann schüttelte den Kopf, und der Stolz auf seine Frau stand ihm deutlich im Gesicht geschrieben. „Meine Esme kann Euch auf halbem Weg in dies gottverlassene Reich bringen – vergebt meine deutlichen Worte, mein Lord, aber so ist es eben –, und dort bittet Ihr den Mann ihrer Schwester Emmy um zwei Nachtmähren.“ Er hielt inne. „Nachtmähren sind temperamentvoll.“
„Ich bin sicher, wir werden mit ihnen fertig“, sagte Liliana. Sie wusste, dass diese mächtigen Tiere Micah dienen würden, denn er hatte ein reines Herz. Und auch sie selbst schien, so seltsam es war, von den meisten Tieren akzeptiert zu werden, trotz ihres schmutzigen Blutes.
„Gut, also dann.“ George rieb mit dem Daumen über Esmes Knöchel. „Mit den Nachtmähren seid Ihr spätestens morgen Abend in Elden, lange vor Mitternacht.“
Liliana nickte. „Danke.“ Vielleicht hatte sie die Zukunft verändert, indem sie zu Micah gegangen war, sodass es nicht so kommen würde, wie sie es vorhergesehen hatte, aber sie konnte – würde – dieses Risiko nicht eingehen. Nichts war sicher – nicht Micahs Land, nicht seine Geschwister –, bis ihr Vater tot war.
Kurze Zeit später, nachdem sie eine einfache, aber herzhafte Mahlzeit gegessen hatten, standen sie im flackernden Schein der Fackel, die George in der Hand hielt, während seine Frau mit den rosigen Wangen sagte: „Wenn Ihr Euch bitte nahe aneinanderstellen würdet?“ Sie rang ihre Hände ineinander. „So nah Ihr könnt. Sonst reißt der Wind Euch auseinander.“
Micah legte die Arme um sie, stark wie Eisen, und sie schloss ihre um seine Hüften. Seine Rüstung fühlte sich warm an. Dass sie noch da war, bestätigte ihre Theorie, dass sie aus seiner eigenen angeborenen Magie geschaffen war. Also würde sie ihn gegen ihren Vater schützen – aber nicht für immer, denn der Blutmagier war durch die Lebenskraft von Unschuldigen unvergleichlich stark.
„Gute Reise, mein Lord, meine Lady“, sagte Esme und hob die Hände.
Ihr Gesicht und das ihres Mannes verschwanden einen Augenblick später hinter einem Tornado, einem mächtigen Wind, der sie von den Füßen riss und sie mit sich wirbelte. Wenn sie sich nicht so fest an Micah geklammert hätte, wäre sie vielleicht zu einer Wolke aus Blut und Fleisch zerrissen worden. Doch so spürte sie nur, wie sein Körper sich an ihren schmiegte, um sie vor der peitschenden Kraft des Windes zu schützen.
Ihr Micah.
Stark.
Ehrenhaft.
Wunderbar.
Liliana konnte nicht sagen, wie lange sie mit dem Sturm gereist waren, aber sie wäre zusammengebrochen, mitten in dem leeren Hof, auf dem sie gelandet waren, hätte Micah nicht fest wie ein Felsen neben ihr gestanden.
„Vielleicht“, sagte er ein wenig verschmitzt, „scheint dir der Salamander jetzt nicht mehr so schlimm.“
„So weit würde ich nicht …“ Sie brach ab, als ein Paar in flatternden Nachthemden und mit hoch erhobenen Fackeln aus dem kleinen Wirtshaus gestürmt kam, zu dem der Hof zu gehören schien. „Micah, wenn sie wirklich Nachtmähren haben, sollten wir hier Rast machen, finde ich“, sagte sie, ehe Esmes Schwester – mit ihren rosigen Wangen musste sie es einfach sein – und ihr Mann in Hörweite kamen. „Das ist wahrscheinlich die letzte Gelegenheit, ehe wir Elden erreichen.“
Micah nickte einmal, als das Paar sie erreichte. Emmy erwies sich als nicht so tapfer wie Esme – sie sah den Wächter des Abgrunds ein einziges Mal an und fiel ohnmächtig zu Boden.
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