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Lord Gamma

Lord Gamma

Titel: Lord Gamma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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dieses hier sein.«
    Sebastian blickte skeptisch. »Woher willst du das wissen?«
    Ich schüttelte den Kopf, sagte: »Ich weiß es einfach«, und berührte das Dreieck. Es gab weder einen Knall noch einen Blitz. Auch keinen wutschäumenden Lord oder ein kampfbereites Läuferheer. Prill stand so unvermittelt auf einem der Podeste, daß sie es im ersten Moment selbst gar nicht zu bemerken schien. Sie trug jene Kleidung, in der sie vor Wochen oder Monaten eine der Sphären betreten haben mußte; ein enges, fliederfarbenes Shirtkleid und Pumps. Durchaus gesellschaftsfähig, aber keinesfalls wüstentauglich. Sie machte ein verblüfftes Gesicht, tat einen unsicheren Schritt und klappte zusammen wie eine fallengelassene Marionette. Prill zeigte die gleichen Symptome wie Sebastian, dieselbe Kraftlosigkeit, fast so, als wäre ihre Beinmuskulatur wochenlang nicht mehr belastet worden. Sie hockte auf der Plattform und sah sich um wie ein frischgeschlüpftes Küken.
    Ich steckte den Strahler weg, in der Hoffnung, daß Sebastian fähig war, die Situation allein zu kontrollieren, lief zu Prill und versuchte, ihr auf die Beine zu helfen. Ihre Hilflosigkeit schien sie gleichzeitig zu ängstigen und zu ärgern. Sie versuchte zu sprechen, aber ihre Stimmbänder versagten den Dienst. Aus ihrem Mund drang nur ein heiseres Flüstern, das ich nicht verstand. Wie, um Himmels Willen, sollte sie in diesem Zustand mit mir durch den Lüftungsschacht klettern? Sie würde abrutschen und in den Abluftrotor stürzen. Falls Prill sich nicht innerhalb kürzester Zeit erholte, blieben für uns nur der Lift und der Hauptausgang. Dort wartete hundertprozentig ein Wächter, und vor den Toren mindestens ein Oberflächenläufer. Ich verspürte keine Lust, mir erneut den Weg freizuschießen wie in der Moths-Station . Zudem durfte ich mit erheblichem Widerstand rechnen, denn Nikobal hatte zweifellos Maßnahmen ergriffen, um uns am Verlassen der Station zu hindern.
    »Weißt du, wie lange sie dort unten war?« fragte ich Sebastian, der nun bedächtig die Reihen der Liegenden abschritt und sich zu fühlen schien, als hielte er die gesamte Belegschaft von Fort Knox in Schach.
    »Sie tauchte zwei Runden nach mir auf«, antwortete er, ohne sich umzudrehen.
    Also vor vier Monaten. Ich massierte Prills Oberschenkel, in der Hoffnung, den Erholungsprozeß zu beschleunigen. Sie sollte mindestens ebenso schnell wieder auf die Beine kommen wie Sebastian.
    »Du tust mir weh«, krächzte Prill und hielt meine Hände fest.
    »Entschuldige.« Erst jetzt spürte ich, wie verkrampft meine Finger waren. Die Sorge, daß uns die Zeit davonlief, hatte mich etwas zu emsig zu Werke gehen lassen. Meine Hände schmerzten vom Massieren.
    Prill behielt sie umfaßt. »Danke«, flüsterte sie.
    »Keine Ursache.«
    »Daß du dich für mich entschieden hast, meine ich.«
    Ich nickte und schwieg. Mit Dankbarkeit hatte ich nie sonderlich gut umgehen können. Unsere Blicke trafen sich, und bradam, da war sie wieder, die alte Hure Hoffnung, daß sie der richtige Klon war – und hinter ihr stand bereits der unbarmherzige Dämon, der kein Mißlingen duldete. Lord Failure …
    »Laß mich versuchen aufzustehen«, bat Prill.
    Ich mußte ihr helfen. Sie zitterte, blieb jedoch stehen, wenngleich ich ihr ansah, daß es sie viel Kraft kostete. Ihr Stolz ließ sie die Zähne zusammenbeißen. Nachdem ich der Ansicht war, sie könne die Strecke bis zum Saalausgang zu Fuß zurücklegen, beauftragte ich Sebastian, dafür zu sorgen, daß wir ungehindert den Ausgang erreichten.
    »Was ist hier eigentlich los?« wunderte sich Prill. »Warum liegen alle auf dem Boden?«
    »Nur dir zuliebe«, meinte ich.
    »Laß die Witze, Stan. Erklär’ mir bitte, was das soll! Wo ist Frederick?«
    Ihr Blick schweifte über die Liegenden, dann zu Sebastian. Als sie die Pistole in seiner Hand sah, staunte sie: »Ist die echt?« Und dann: »Das ist doch verboten!«
    »Wir haben jetzt keine Zeit für Erklärungen.« Ich drängte sie sanft in Richtung Ausgang. Sie folgte widerwillig, war aber zu geschwächt, um sich gegen meinen Griff zu stemmen. Wenn Prill – außer zu großen Tieren mit zu vielen Beinen – etwas haßte, dann waren es undurchschaubare Situationen und ungewisse Ziele. Ich redete ihr zu, mir zu vertrauen, denn alles sei in Ordnung. Nun ja, zumindest unter Kontrolle.
    Sebastian hatte damit begonnen, die Liegenden mit Tritten auseinanderzutreiben. Er beschimpfte alle, die nicht sofort reagierten, und fuchtelte

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