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Lord Gamma

Lord Gamma

Titel: Lord Gamma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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was ich in diesem Augenblick noch wahrnahm, waren rote Mandelaugen ohne Pupillen, so groß wie Suppenteller. Meine eigenen Augen mochte ich zumindest halb soweit aufgerissen haben. Ich trat einen Schritt rückwärts, wirbelte herum und rannte gegen eine unsichtbare Wand. Der Aufprall ließ mich zurücktaumeln und erneut zu Boden sinken. Ehe ich wieder auf die Beine kam, tauchte über mir eine weitere dieser Kreaturen auf, neben ihr eine dritte und eine vierte. Ich kroch rückwärts von ihnen fort, stieß gegen den massigen Körper des Lords …
    Endstation.
    Der Lord war am Leben. Er stöhnte bei meinem Rempler so erbärmlich auf, wie ich es noch nie zuvor bei einem der Seinen vernommen hatte. Vorbei war es mit seiner Herrlichkeit und Würde. Sein Gesicht war zu einem Ausdruck purer Verzweiflung erstarrt. Er öffnete den Mund, doch keine Worte kamen über seine Lippen, nur ein stummer Schrei. Tränen rannen ihm übers Gesicht, tropften von seinen Ohren zu Boden. Wieder diese jämmerlichen, winselnden Töne.
    Mein Griff in die Zwitterjacke erfolgte impulsiv. Das Metall der Browning war fast so kalt wie die Atmosphäre des BRAS-Raums. Die Berührung schmerzte, dünne Fetzen meiner Haut blieben am Metall kleben. Herausziehen, entsichern, zielen … Drei Sekunden. Die Zeit in den Bunkern hatte mich mechanisiert. Die Waffe lag wie ein Stück Trockeneis in meiner Hand. Ich schwenkte sie im Kreis, zielte auf das Gamma-Wesen. Seinen riesigen Kopf konnte ich nicht verfehlen.
    Die Browning machte Klick!
    Mehr nicht.
    Es liegt an der Kälte, durchfuhr es mich, es muß die verdammte Kälte sein! Eine Stimme in meinem Kopf schwafelte unentwegt wirres Zeug, plapperte von gefrorenen Treibsätzen, erfrorenem Metall, toter Munition. Die Synchronisation war miserabel. Ich schüttelte die Waffe in einem Anfall von Hilflosigkeit, drückte erneut ab, wieder und wieder – die Antwort blieb ein monotones Klicklicklicklick …
    »Stan«, sprach Gamma, als ich innehielt, »dein Magazin ist leer.«
    Ich sah in die wagenradgroßen Gesichter, von einem zum anderen. Sie besaßen Gesichtszüge, aber weder Haare noch Augenbrauen. Ihre Nasen waren lang und flach, wirkten negroid. Ich konnte keine Ohren erkennen. Vielleicht existierten Hörorgane an ihren Hinterköpfen. Ihre breiten Münder besaßen pechschwarze, fleischige, nach unten geschwungene Lippen, die den Gesichtern ein nicht gerade sympathisches Aussehen verliehen. Zu unterscheiden waren die Kreaturen nur anhand von Pigmentflecken und Falten und in ihrer Farbe, die von braun über rot bis hin zu schwarz reichte. Jede von ihnen besaß zudem eine ringförmige, handbreite Färbung der Halspartie; in Gammas Fall ein tiefes, leuchtendes Grün. Keines der Wesen war bekleidet, und soweit ich es beurteilen konnte, trugen sie auch keine Waffen. Ich erkannte keinerlei Geschlechtsunterschiede. Vielleicht war das, was ich vom Hals abwärts für Haut hielt, in Wirklichkeit eine Art von Overall, der alles verbarg.
    »Was, zum Teufel, seid ihr?« flüsterte ich.
    Gamma nahm eine recht menschliche Haltung an: er faltete seine Spinnenhände über seinem Bauch und sagte: »Wir sind Enoe.« Waren das wirklich Brüste? Oder Stoßzähne? Vielleicht Stoßrippen ? Sie alle besaßen diese Auswüchse.
    »Dann – warst du es, dessen Schatten ich in dem Bunker gesehen habe …«
    Gamma schloß zum Zeichen der Bestätigung kurz die Augen. »Es war nicht beabsichtigt, daß du mir über den Weg läufst – Oh, ich verstehe«, erkannte er dann. »Du hieltest mich für einen Lord!« Er sprach etwas zu seinen Artgenossen, das klang, als singe er ihnen eine Melodie vor. Die Reaktion war ein kurzes Summen; vielleicht so etwas wie ein Zeichen der Belustigung.
    Eine Hand legte sich auf meine Schulter. Die Vermutung, daß der Lord mich berührte, ließ mich zurückschrecken. Die Hand faßte nach. »Stan, ich bin es«, sagte eine Frauenstimme. »Stan!«
    Ich blickte in Seethas bleiches Gesicht, wünschte, meine gesamte Umgebung würde von ihrem Antlitz ausgelöscht werden. »Erkennst du mich?« Ihre Stimme klang besorgt.
    Ich war mir nicht sicher, ob ich ihren Namen tatsächlich aussprach. Vielleicht las Seetha ihn nur von meinen Lippen ab. Ihr Gesicht entspannte sich. Sie nahm mir vorsichtig die Browning aus der Hand, hielt sie an der Mündung wie eine Ratte am Schwanz und reichte sie Gamma.
    Seetha war mir so nah, daß ihr Atem meine Haut streifte. Ich ließ meinen Blick über ihr Gesicht wandern. Einer der Enoe tauchte

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