Lord Gamma

Titel: Lord Gamma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak

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Knie, doch seine ausgestreckte Hand traf auf den Schutzwall aus Energie. »Zumindest sein Körper …«
    »Heißt das, er kann diese Kraft weiterhin gegen uns anwenden, obwohl er tot ist?« fragte ich. Seetha sah wie versteinert in die Höhe. Hatte der Sturz der Maschine anfangs behäbig gewirkt, veränderte sich dieser Eindruck mit jedem Meter, den der Flugzeugrumpf näher kam. Ich vermochte im erleuchteten Cockpit die beiden Piloten zu erkennen. Sie hockten wie die übrigen Passagiere mit geschlossenen Augen und auf die Brust gesunkenen Köpfen in ihren Sitzen. Der Flugzeugbug wuchs ins Riesenhafte, ein kolossales, weißes Geschoß mit Flügeln. Noch einhundert Meter, achtzig, sechzig … Als der Bug keine dreißig Meter mehr von der Kuppel entfernt war, wandte ich meinen Blick ab, schloß die Augen und zählte die Sekunden bis zum Aufschlag …
    Er kam nicht.
    Kein ohrenbetäubendes Bersten, kein Kreischen von sich verformendem Metall, keine explodierende Kuppel, keine Feuersbrunst. Im Raum herrschte absolute Stille. Dann sagte eine neue Stimme: »Ich erkenne mit Bedauern, daß Ungeduld nicht allein eine menschliche Schwäche ist.«
    Ungläubig sah ich auf, starrte auf eine Lichtsäule, die mitten im Raum emporgewachsen war und die Blicke aller Anwesenden auf sich zog. Ihr Strahlen umhüllte den schwebenden Körper einer Frau. Sie trug ein zerknittertes, khakifarbenes Sommerkleid, ihre bloßen Füße hingen einen halben Meter über dem Boden. Der Flugzeugbug schwebte bewegungslos und riesenhaft über dem Observatorium, kaum zwei Meter von der Kuppel entfernt.
    Gamma war vor der Erscheinung, die sich direkt neben ihm manifestiert haben mußte, zurückgewichen. Ich hätte nie geglaubt, daß er seine riesigen Augen zu derart schmalen Schlitzen zusammenkneifen konnte. Seetha hingegen betrachtete die Lichtgestalt wie eine Vision der Jungfrau Maria.
    »Prill!« rief ich. Fassungslos ging ich auf die Erscheinung zu.
    »Komm nicht näher!« drang die Warnung aus ihrem Mund. »Ich bin nur eine Stimme für das Sublime!«

Isadom 5


    PRILLS AUGEN BLIEBEN GESCHLOSSEN, als ihr Körper sich auf Gennards sterbliche Hülle zubewegte. Seetha hatte sich bis zur Kuppelwand zurückgezogen und verfolgte das Geschehen aus der Distanz, als wäre die Frau im Licht ein wandelndes E-Werk, das tödliche Blitze schleuderte, sobald man ihm zu nahe kam. Ich tauschte einen verunsicherten Blick mit Gamma, der den Kopf schräggelegt hatte und argwöhnisch jede Bewegung Prills verfolgte. Ihr Gesicht trug einen amüsierten Ausdruck darüber, wie wir sie anstarrten. Ihre Lippen waren zu einem leichten Lächeln verzogen. Ich wußte nicht, wieviel Bewußtsein das Sublime Prill ließ. Vielleicht nahm sie alles, was sich um sie herum abspielte, mit klarem Verstand wahr, ordnete sich lediglich einer höheren Macht unter. Vielleicht erschien es ihr auch nur wie ein Traum, und sie ließ es deshalb geschehen. Eigentlich war es nicht ihre Art, zu lächeln, solange sie sich nicht unter Kontrolle hatte.
    »Prill«, begann ich, »wo …«
    Ein feiner Lichtarm löste sich von ihr, traf mich in die Brust. Still! erklang eine mächtige Stimme in mir. Gleichzeitig stürzte eine Übermacht von Gefühlen und Gedanken auf mich ein, die alle anderen Wahrnehmungen in den Hintergrund drängten. Von ihrer Intensität überwältigt, sank ich in die Knie. Für Sekunden erfüllte eine Bilderflut meinen Kopf, die den Raum um mich herum verschwimmen ließ; Erinnerungen und Emotionen, die einzig für mich bestimmt waren. Ich hatte keine Möglichkeit, mich gegen sie zu wehren, sie zu filtern und zu sortieren.
    »Du hast keinen Grund, uns anzugreifen!« vernahm ich Gammas Stimme.
    »Das hat es nicht«, erklärte ich leise. Benommen sah ich auf, konnte kaum etwas erkennen. Der Enoe kam auf mich zu, war nur ein verschwommener, dunkler Schatten. »Es hat Prill nur gestattet, sich mir mitzuteilen …« Ich fühlte Gammas riesige Hände, die mich ergriffen und mir wieder auf die Beine halfen.
    Das Licht, das Prills Körper umfloß, hüllte nun auch Gennard ein. Sein Leib bäumte sich auf, als wehrte er sich gegen die Korona, dann lag er wieder still. Als das Licht von ihm wich, öffnete er die Augen, blinzelte desorientiert und sah die Erscheinung entgeistert an. Er zögerte, schien in sich hineinzuhorchen und bewegte vorsichtig seine Glieder, als traute er dem, was er wahrnahm, noch nicht. Dann erhob er sich schwerfällig. Gamma und ich warfen uns besorgte Blicke zu, als